Ein historisches Gebäude mit zahlreichen Europaflaggen.
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Internationale Forschung
DFG verabschiedet Europa-Strategie

Die DFG beschließt mit ihrer Europa-Strategie zehn Ziele für das Engagement in Europa. Sie will relevante EU-Politik mitgestalten.

03.04.2024

Grenzüberschreitende Kooperationen sind ein Eckpfeiler der Forschung in Europa. Um internationale Zusammenarbeit noch stärker zu fördern, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dazu jetzt eine Strategieschrift vorgelegt, die das europäische Handeln der DFG in den kommenden Jahren definiert. Die Strategie war zuvor in Senat und Hauptausschuss der DFG vorgestellt und diskutiert worden. 

Starker Europäischer Forschungsraum 

"Forschungsförderung und Forschungspolitik finden schon lange nicht mehr in einem abgeschlossenen nationalen Raum statt", sagte DFG-Präsidentin Professorin Dr. Katja Becker bei der Vorstellung der Strategie in den DFG-Gremien. "Der Europäische Forschungsraum ist aus unserer Sicht dann besonders stark, wenn es neben den EU-Rahmenprogrammen für Forschung und Innovation auch starke und autonome nationale Forschungs- und Fördersysteme mit ihren jeweils eigenen Schwerpunkten, Förderansätzen und Kooperationsangeboten gibt." 

Die DFG werde ihre Zusammenarbeit mit Förderorganisationen in Europa weiter ausbauen, damit Forschende in Deutschland sowie Partnerinnen und Partner in anderen europäischen Ländern im Bereich der Spitzenforschung so effizient und flexibel wie möglich kooperieren können, so Becker. 

"Forschungsförderung und Forschungspolitik finden schon lange nicht mehr in einem abgeschlossenen nationalen Raum statt."
DFG-Präsidentin Professorin Dr. Katja Becker

Zehn konkrete Ziele bis 2030 

Die Europa-Strategie der DFG formuliert innerhalb der drei Handlungsansätze der DFG – Fördern, Erschließen, Gestalten – Leitgedanken für das europäische Handeln, beschreibt das aktuelle Engagement und leitet daraus Herausforderungen und insgesamt zehn Ziele für die kommenden Jahre ab. In dem für die Strategie relevanten Zeitraum bis 2030 werden auf EU-Ebene insbesondere die "ERA Policy Agenda" weiterentwickelt, die die Maßnahmen zur Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums umfasst, sowie ein neues EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (FP10, 2028–2034) verabschiedet. Die Europa-Strategie der DFG beschreibt, wie sich die DFG in beide Prozesse einbringen wird. 

DFG-Ziel: Forschungsprojekte flexibel beantragen 

Demnach will sich die DFG auch weiterhin dafür einsetzen, dass Forschende aus Deutschland und aus anderen europäischen Ländern möglichst jederzeit, fächerübergreifend und themenoffen bi- und multilaterale Forschungsprojekte beantragen können – in Ergänzung zu den EU-Rahmenprogrammen für Forschung und Innovation. Neben dem weiteren Ausbau der Zusammenarbeit mit Förderorganisationen in Europa (Ziel 1) will sich die DFG aktiv in die "Weave-Initiative" einbringen, bei der Forscherende aus Deutschland Forschungsprojekte mit Partnerinnen und Partnern aus bislang sechs europäischen Ländern beantragen können, die im Lead-Agency-Verfahren von jeweils einer beteiligten Förderorganisation begutachtet werden (Ziel 2). 

Wertebasierte Grundlagen für Forschungskooperationen 

Zudem plant die DFG, sich für die Entwicklung von gemeinsamen wertebasierten Grundlagen für Forschungskooperationen mit außereuropäischen Partnerinnen und Partnern einzusetzen, insbesondere in Bezug auf einen angemessenen Umgang mit ihren Risiken. Dabei will sich die DFG entsprechend ihrer "Empfehlungen für den Umgang mit Risiken in internationalen Kooperationen" für eine umfassende Abwägung von Chancen und Risiken einer Forschungskooperation stark machen (Ziel 3). 

Weitere Ziele umfassen eine bessere Ausgestaltung des nächsten EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation (Ziele 4, 6–7) sowie eine direkte Mitgestaltung bei der Entwicklung adäquater Rahmenbedingungen und Standards für die erkenntnisgeleitete Forschung auf EU-Ebene. 

Mitgestaltung der forschungsrelevanten Rahmenbedingungen 

Schließlich will die DFG sich auch stärker bei EU-Gesetzgebungsprozessen engagieren, die für die Forschung relevant sind, aber außerhalb des Forschungsbereichs initiiert und verantwortet werden (Ziel 10). Die DFG-Europa-Strategie soll sowohl nach innen zur Verortung und Ordnung des eigenen Engagements als auch nach außen zur Erläuterung des DFG-Handelns für Partnerinnen und Partner aus Wissenschaft und Politik in Deutschland beitragen. 

Hintergrund sind die deutlich gewandelten politischen Rahmenbedingungen und neuen Schwerpunkte des DFG-Engagements in Europa – sichtbar beispielsweise in der Notwendigkeit eines größeren Einsatzes auf europäischer Ebene zur Mitgestaltung von Rahmenbedingungen für Forschung höchster Qualität. 

EU-Kommission plant EU-einheitlichen Uniabschluss 

Dass EU-Rahmenbedingungen fortwährenden Einfluss auf Forschung und Lehre haben, zeigt unter anderem ein aktuelles Vorhaben der Europäischen Kommission, welches Ende März auf einer Pressekonferenz präsentiert wurde. Die EU-Kommission strebt mit ihrem Entwurf eines Higher Education Packages (HEP) die Einführung eines europäischen Abschlusses an, der von Universitäten in mehreren EU-Ländern gemeinsam vergeben werden kann. 

Dieser Abschluss soll automatisch in allen beteiligten Mitgliedsstaaten anerkannt werden. Es ist in Planung, dass dieser Abschluss Bachelor-, Master- sowie Doktorats-Studiengänge umfassen soll. Förderungen sollen aus dem Austauschprogramm Erasmus beantragt werden können. Die EU-Kommission schlägt vor, dass Studierende in mindestens zwei EU-Ländern studieren müssen, um für diesen Abschluss in Frage zu kommen. 

Die HEP-Teilnahme ist freiwillig und es ist kein gesondertes Budget dafür geplant. Der vorliegende Kommissionsentwurf baut auf den Ergebnissen von sechs Erasmus+-Pilotprojekten auf, an denen mehr als 140 Hochschuleinrichtungen aus allen EU-Ländern beteiligt waren. Es gehe laut Kommission dabei "um ein starkes Symbol für unsere gemeinsame europäische Identität und unser starkes Zugehörigkeitsgefühl zu Europa, dadurch unsere gemeinsamen akademischen Werte zu stärken und Menschen und Universitäten zusammenzubringen". 

Dieses Vorhaben soll die Anrechnung von Kursen aus verschiedenen Ländern erleichtern. EU-Bildungskommissarin Iliana Ivanova betonte laut ZEIT CAMPUS während der Pressekonferenz, dass derzeit viele Hürden bei der Anerkennung von Abschlüssen bestehen und eine EU-weite Anerkennung die Vergleichbarkeit erleichtern würde. Die Umsetzung liegt jedoch in der Hand der Mitgliedsstaaten, da Bildungspolitik national geregelt ist. In Deutschland ist eine solche bildungspolitische Entscheidung sogar Ländersache. 

Sabine Verheyen, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung des EU-Parlaments und Befürworterin des Europäischen Universitätsabschlusses, äußerte sich gegenüber Science|Business bereits Ende vergangenen Jahres kritisch zu alleinig nationalstaatlichen Regelungen in der Bildungspolitik. Eine geteilte Zuständigkeit im Bildungsbereich würde der EU ermöglichen, sich stärker für akademische Freiheit einzusetzen. Dies sei wichtig in einer Zeit, in der die Besorgnis wachse, dass einige Mitgliedstaaten in dieses Recht eingreifen würden. Aus diesem Grund brauche die EU mehr Gesetzgebungsbefugnisse, um die akademische Freiheit zu schützen, sagte Verheyen.

cva