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Forschungsverantwortung
Folgen und Risiken richtig einschätzen

Wie kann verhindert werden, dass wissenschaftliche Ergebnisse missbraucht werden und Schaden anrichten? DFG und Leopoldina geben Empfehlungen.

09.04.2024

Sicherheitsrelevante Forschungsrisiken können sich in beinahe allen Disziplinen ergeben. Professorin Britta Siegmund, Vizepräsidentin der DFG, und Dr. Johannes Fritsch von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina informieren in der aktuellen Ausgabe von "Forschung & Lehre" über die Positionen des "Gemeinsamen Ausschusses zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung". Hier das Wichtigste ihrer Ausführungen in der Zusammenfassung.

"Besorgniserregende sicherheitsrelevante" Forschung und die Gefahren des Dual-Use

Besonderer Handlungsbedarf bestehe im Bereich "besorgniserregender sicherheitsrelevanter" Forschung: Das sind "wissenschaftliche Arbeiten, die Wissen, Produkte oder Technologien hervorbringen könnten, die unmittelbar von Dritten missbraucht werden können, um Menschenwürde, Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Umwelt oder ein friedliches Zusammenleben erheblich zu schädigen".

Die Unterscheidung von nützlicher und schädlicher Forschung falle durch den Dual-Use von Technologien nicht immer leicht. "Die Beurteilung ist nicht zuletzt aufgrund der oft noch unbekannten zukünftigen Handlungsketten sowie der schwierigen Folgen- und Risikoabschätzungen diffizil", halten Siegmund und Fritsch fest. Gleichfalls könne jedoch auch die Unterlassung von Forschung problematisch werden, wenn dadurch Innovationen ausfielen, die dem Gemeinwohl dienlich sind.

"Die Beurteilung ist nicht zuletzt aufgrund der oft noch unbekannten zukünftigen Handlungsketten sowie der schwierigen Folgen- und Risikoabschätzungen diffizil."

Professorin Britta Siegmund und Dr. Johannes Fritsch

Weil nicht alle Sachverhalte gesetzlich geregelt seien, stünden Forschende vor der Aufgabe, die ethischen Grenzen der Wissenschaften zu wahren. Grundvoraussetzung dafür sei ein Bewusstsein für mögliche Risiken und Gefahren von Forschung (oder eben auch der Unterlassung von Forschung). Außerdem stelle sich für Forschende die Frage, "inwieweit ihre Ergebnisse und Methoden von anderen Personen zu schädlichen Zwecken missbraucht werden können".

Es könne angeraten sein, rechtzeitig Informationen über den Kontext des Forschungsvorhabens, Auftraggebende und Kooperationspartnerinnen und –partner einzuholen. Forschungseinrichtungen seien hier aufgefordert, diesen Prozess durch rechtliche Compliancestellen und Schulungsangebote zu begleiten sowie "Kommissionen für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung (KEFs)" einzurichten.

Kommissionen für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung

Als Instrumente der Selbstverwaltung der Wissenschaften würden mittlerweile deutschlandweit über 100 KEFs beziehungsweise Beauftragte ethische Beratungen durchführen. "Sie können mit ihren Empfehlungen dazu beitragen, Risiken zu minimieren, aber auch risikobehaftete Forschungsprojekte zu legitimieren." Allerdings sei eine Sensibilisierung von Forschenden und Forschungseinrichtungen nötig, sodass sich diese überhaupt erst entsprechend beraten lassen würden. Die DFG fordere Antragstellende seit einiger Zeit dazu auf, Projekte bei der Beantragung von Fördermitteln im Hinblick auf sicherheitsrelevante Risiken zu prüfen.

Jedoch stellen besorgniserregende sicherheitsrelevante Projekte eher die Ausnahme dar, wie eine Umfrage des Gemeinsamen Ausschusses ergab: Zwischen 2016 und 2023 rieten die Kommissionen nur von acht Vorhaben grundsätzlich ab.

Schwerpunkt "Verantwortung" in der April-Ausgabe von "Forschung & Lehre"

Die Beiträge zum Thema:

  • Ralf Stoecker: Spezifisch menschlich. Verantwortung in der Philosophie
  • Britta Siegmund / Johannes Fritsch: Schwierige Folgen- und Risikoabschätzung. Selbstverwaltung der Wissenschaften im Spannungsfeld von Forschungsfreiheit und Forschungsverantwortung
  • Mitchell Ash: Wessen Verantwortung wofür? Die Vielfalt der Forderungen an Wissenschaft und Hochschulen
  • Klaus Ferdinand Gärditz: Schuld und Sanktion. Eine rechtliche Perspektive auf Verantwortung in der Wissenschaft

Außerdem haben wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in einer Umfrage die Frage gestellt, was Verantwortung für sie bedeutet.

hes