Junge Geschäftsfrau vor Bürogebäuden
mauritius images / Westend61 / Vasily Pindyurin

Weibliche Vorbilder
"Man kann nicht sein, was man nicht sehen kann..."

In Führungspositionen sind Frauen in der Minderheit. Diese Wenigen haben als Vorbilder aber eine erheblich motivierende Wirkung auf andere Frauen.

Seit den 1990er Jahren hat sich das Ungleichgewicht in der Anzahl von Männern und Frauen, die ein Hochschulstudium und eine Vollzeitbeschäftigung aufnehmen, in den USA und anderen Industrieländern deutlich verringert. In den USA spricht man bereits vom letzten Kapitel der "großen Gender Konvergenz" (Goldin, 2014).

Dennoch bestehen Geschlechterungleichheiten bei der Bezahlung fort. Der gender wage gap beläuft sich sowohl in Deutschland als auch in den USA aktuell auf circa 18 Prozent. Dies ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass Frauen in einigen der lukrativsten und wettbewerbsorientiertesten Branchen wie dem Ingenieur- und Finanzwesen nach wie vor unterrepräsentiert sind.

Was sind die Gründe hierfür? Die Meinungen gehen auseinander. Es könnte an persönlichen Präferenzen der Frauen für andere Berufsfelder liegen und/oder an Vorurteilen gegenüber Frauen, die in männerdominierten Berufen tätig sind, die ihnen dort die Arbeit erschweren. Frauen in männerdominierten Berufsfeldern verletzen Geschlechternormen, also Vorstellungen einer Gesellschaft, in welchen Berufen Frauen und Männer arbeiten sollten. Dies kann für diese Frauen zu sogenannten "Backlash-Effekten" führen. Sie werden mit negativen Attributen belegt und diskriminiert (diese Effekte wurden übrigens auch für in frauendominierten Branchen arbeitende Männer nachgewiesen). In Antizipation dieser Hürden könnten viele Frauen davor zurückscheuen, in männerdominierten Berufsfeldern zu arbeiten.

Der daraus resultierende Mangel an weiblichen Vorbildern, die jüngere Frauen dazu motivieren könnten, solche Be­ru­fe perspektivisch zu ergreifen, amplifiziert dann Ungleichverteilung der Geschlechter über die verschiedenen Branchen. So werden beispielsweise Führungspositionen in vielen Branchen oft als "männliche" Rollen angesehen. Beispiele sind das jahrzehntealte Klischee, dass Ärzte Männer und Krankenschwestern Frauen sind, und der Geschäftsmann und seine Sekretärin. In diesen Fällen könnte bereits eine relativ kleine Anzahl an Geschäftsfrauen oder Ärztinnen als Gegenbeispiele zur gängigen Norm den Weg für mehr Frauen ebnen, ihnen in diese Positionen zu folgen.

"Bereits eine relativ kleine Anzahl an Geschäftsfrauen oder Ärztinnen könnte den Weg für mehr Frauen ebnen, ihnen in diese Positionen zu folgen."

Dieser Gedanke wird durch eine 2007 an US-Universitäten durchgeführte Untersuchung (Sonnert, Fox and Atkins, 2007) gestützt, die ergab, dass mit einem höheren Anteil weiblicher Lehrkräfte in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Abteilungen auch die Zahl der weiblichen Studierenden in den Bereichen Physik, Ingenieurwesen und Biowissenschaften zunahm. Studien wie diese erinnern an die Worte der Astronautin Sally Ride in einem Interview mit dem Harvard Business Review im Jahr 2012: "Junge Mädchen brauchen Vorbilder in allen Berufen, für die sie sich entscheiden könnten, damit sie sich vorstellen können, diese Berufe eines Tages selbst auszuüben. Man kann nicht sein, was man nicht sehen kann."

Weibliche Vorbilder in männerdominierten Rollen

Um herauszufinden, ob weibliche Vorbilder in männerdominierten Rollen einen Einfluss auf die Berufswahl von Frauen haben, habe ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen Mengqiao Du von der Universität Mannheim und Vidhi Chhaochharia von der University of Miami eine Reihe von amerikanischen Umfragen und Arbeitsmarktdaten über die letzten 70 Jahre analysiert.

Um zu einer konkreten Definition eines weiblichen Vorbilds in männerdominierten Berufen zu gelangen, haben wir die Antworten einer repräsentativen Stichprobe der amerikanischen Bevölkerung aus 46 Gallup-Umfragen analysiert, die zwischen 1951 und 2014 durchgeführt wurden. Uns interessierten vor allem die Antworten der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer auf die Frage: "Welche Frau, von der Sie gehört oder gelesen haben und die heute noch in irgendeinem Teil der Welt lebt, bewundern Sie am meisten?" Aus den Antworten haben wir eine Liste von allen 247 Frauen zusammengestellt, die für bewundernswert gehalten wurden.

Anschließend wurden diese 247 Frauen nach ihrer Hauptbeschäftigung in zwei Gruppen eingeteilt, je nachdem, ob sie sich in einer geschlechtsstereotypen Rolle befanden oder in einer üblicherweise Männern zugeschriebenen Rolle tätig waren. Als weibliches Vorbild in einer männerdominierten Rolle definierten wir Frauen, die zum Beispiel für ihre Tätigkeit als Politikerin, Geschäftsfrau oder Astronautin bewundert wurden. Zu den am häufigsten genannten Vorbildern gehörten hier Politikerinnen wie Madeleine Albright sowie Schriftstellerinnen wie Hellen Keller oder Journalistinnen wie Barbara Walters. Als stereotype weibliche Vorbilder wurden alle Frauen eingestuft, die zum Beispiel aufgrund ihrer familiären Situation bewundert wurden wie Mamie Eisenhower als First Lady, in klassischen Frauenberufen arbeiteten wie Sister Kenny als Krankenschwester oder auch Schauspielerinnen und Sängerinnen wie Grace Kelly.

Vorbilder von Frauen in ­Führungspositionen

Wir stellten fest, dass die Beliebtheit stereotyper weiblicher Vorbilder im untersuchten Zeitraum stark gesunken ist: Während 80 Prozent der Befragten im Jahr 1951 angaben, Frauen in geschlechtsstereotypen Rollen zu bewundern, fiel diese Zahl auf 30 Prozent im Jahr 2014. Auf der anderen Seite stieg die Bewunderung für weibliche Vorbilder in männerdominierten Rollen im gleichen Zeitraum von unter 20 Prozent auf rund 50 Prozent. Einen Wendepunkt stellten die 1980er Jahre dar, hier wurden Frauen in männerdominierten Rollen erstmalig beliebter als Frauen in geschlechtsstereotypen Rollen.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Bewunderung für weibliche Vorbilder in männerdominierten Rollen mit einem ausgewogeneren Verhältnis zwischen den beiden Geschlechtern in Führungspositionen einhergeht. Frauen, die angaben, weibliche Vorbilder in männerdominierten Rollen zu bewundern, gelangten mit höherer Wahrscheinlichkeit später selbst in eine Führungsposition. Sie entschieden sich ebenso häufiger für die Erlangung eines Hochschulabschlusses, traten in wettbewerbsintensivere Arbeitsmärkte wie zum Beispiel den MINT-Bereich ein und bekamen ihr erstes Kind später als Frauen, die ein geschlechtsstereotypes weibliches Vorbild benannten. Viele dieser Entscheidungen verletzen konservative gesellschaftliche Geschlechternormen, nach denen Frauen primär die Rolle als Mutter und Hausfrau obliegt. Wie passen also weibliche Vorbilder in männerdominierten Berufen in ein konservatives Umfeld? Kommen sie seltener aus US-Bundesstaaten, in denen traditionelle Ansichten über Geschlechterrollen stärker ausgeprägt sind? Damit verbunden ist die Frage, inwieweit die Frauen Anstoß des Wandels sind oder nur ein Ergebnis desselben?

Mithilfe von Daten des General Social Survey, der verschiedene Fragen zum Rollenverständnis der Geschlechter enthält, konnten wir diese Frage zumindest auf Ebene der US-Bundesstaaten untersuchen. Wir fanden heraus, dass die Mehrheit der weiblichen Vorbilder in männerdominierten Rollen überraschenderweise nicht aus Staaten mit liberaleren Ansichten zu Geschlechterrollen stammte, sondern dass 53,5 Prozent dieser Vorbilder in Staaten mit eher konservativen Geschlechternormen geboren wurden.

"Weibliche Vorbilder tragen aktiv dazu bei, das geschlechtsspezifische Rollenverständnis der Gesellschaft zu verändern."

Dies deutet darauf hin, dass weibliche Vorbilder in männerdominierten Rollen nicht das Ergebnis eines Umfelds sind, in dem bereits liberale Geschlechternormen vorherrschen, sondern dass sie aktiv dazu beitragen, das geschlechtsspezifische Rollenverständnis der Gesellschaft zu verändern. Mit der Zeit könnte es also sein, dass Politikerinnen, Geschäftsfrauen und andere Frauen, die in bisher männerdominierten Rollen auf der ganzen Welt zu finden sind, zur neuen Normalität werden.

Zum Weiterlesen:

  • Goldin (2014): A Grand Gender Convergence: Its Last Chapter. American Economic Review, Vol. 104, No. 4, pp. 1091-1119.
  • Sonnert, Fox and Atkins (2007): Undergraduate Women in Science and Engineering: Effects of Faculty, Fields, and Institutions Over Time, Social Science Quarterly, Vol. 88, No. 5, pp. 1333-1356.
  • Chhaochharia, Du, Niessen-Ruenzi (2022): Counter-stereotypical female role models and women’s occupational choices. Journal of Economic Behavior & Organization, Vol. 196, pp. 501-523.