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Gute wissenschaftliche Praxis
Wo beginnt wissenschaftliches Fehlverhalten?

Nicht sanktionierbar, aber dennoch zu korrigieren und – möglichst – zu vermeiden: sogenannte "ehrliche Fehler" und "fragwürdige Forschungspraktiken".

Von Henrike Schwab 26.04.2024

Der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) spricht regelmäßig Rügen wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens aus. Zuletzt waren Ende März eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler "wegen Mitautorenschaft bei Veröffentlichung mit Falschangaben" schriftlich gerügt worden. Die beiden Forschenden waren an Publikationen einer dritten Wissenschaftlerin beteiligt, bei der im Rahmen einer anderen Untersuchung wissenschaftliches Fehlverhalten festgestellt worden war. Mitautorin beziehungsweise Mitautor waren in diesem Zusammenhang wegen fahrlässigen Verhaltens gerügt worden. Wegen eines bestehenden DFG-Bezuges leitete die DFG daraufhin ein eigenes Untersuchungsverfahren ein. Die beiden Forschenden hätten eine mangelnde Kontrolle vor dem Ausschuss auch eingeräumt.

Der Fall lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tücken des wissenschaftlichen Arbeitens im Team: Im Zweifelsfall tragen Forschende eine Mitverantwortung für das Fehlverhalten anderer. Aber genauso "partizipieren sie in substanzieller Art und Weise an dem wissenschaftlichen Reputationsgewinn, der mit der Veröffentlichung der Publikation verbunden ist", sagen Martin Steinberger und Dr. Kirsten Hüttemann aus dem Team "Wissenschaftliche Integrität" der DFG und verweisen auf den DFG-Kodex "Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis": Leitlinie 14 hält die "gemeinsame Verantwortung" aller Autorinnen und Autoren fest. Nachlässigkeit oder blindes Vertrauen in wissenschaftlichen Prozessen würden gegen die gute wissenschaftliche Praxis verstoßen.

"Ehrliche Fehler" und "Fragwürdige Forschungspraktiken"

Gleich die ersten beiden Leitlinien des DFG-Kodex verpflichten Forschende auf die "Standards guter wissenschaftlicher Praxis" und ihr Berufsethos. Doch trotz aller Umsicht können natürlich Fehler unterlaufen. "Diese 'ehrlichen' Fehler, die beispielsweise auf fehlendem Sach- oder Methodenwissen beruhen können, erfolgen 'innerhalb' der guten wissenschaftlichen Praxis", erläutert Steinberger. Dennoch könnten auch solche "ehrlichen" Fehler schwerwiegenden Einfluss auf wissenschaftliche Inhalte haben und seien umgehend zu korrigieren, sobald sie auffielen.

In den Graubereich wissenschaftlichen Fehlverhaltens fallen die sogenannten "Fragwürdigen Forschungspraktiken". Hierbei handelt es sich um Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis, die aber (zum Beispiel wegen mangelnder Schwere) nicht als Tatbestand in der DFG-"Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten" oder etwa auch in der "Mustersatzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten" der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erfasst sind. Insofern könnten sie, so Steinberger, auch nicht sanktioniert werden.

Wissenschaftliches Fehlverhalten

Wissenschaftliches Fehlverhalten nach der DFG-Verfahrensordnung beginnt laut Steinberger dort, wo gegen wissenschaftliche Kernpflichten verstoßen werde "und dieser Verstoß von einigem Gewicht auch in vorwerfbarer Art und Weise erfolgt". Aufgelistet werden in der DFG-Verfahrensordnung unter anderem Falschangaben oder das "unberechtigte Zu-eigen-machen fremder wissenschaftlicher Leistungen" wie Plagiat und Ideendiebstahl. Aber auch der Bereich der "Mitverantwortung für Fehlverhalten" wird hier näher definiert, die sich eben auch aus der "Mitautorenschaft an fälschungsbehafteten Veröffentlichungen" ergeben kann.

Auf der Grundlage ihrer Verfahrensordnung prüft die DFG Hinweise auf wissenschaftliches Fehlverhalten mit DFG-Bezug. Im letzten Jahr gingen 100 Hinweise ein, viele stammen – im Sinne der Selbstkontrolle der Wissenschaft – aus der Wissenschaft selbst. Am häufigsten wurden Plagiate und Ideendiebstahl (27 Fälle), das Erfinden beziehungsweise Verfälschen von Daten und unrichtige Angaben im Antrag (je 16 Fälle) gemeldet. Dabei komme neben der Aufarbeitung dieser Fälle vor allem der Prävention große Bedeutung zu, wie Kirsten Hüttemann herausstellt: "Es ist immer wieder zu betonen und zu vermitteln, welche Bedeutung die Einhaltung der Standards wissenschaftlichen Arbeitens – auch im Sinne eines Berufsethos – für die Wissenschaft hat."

DFG-Inhalte zur wissenschaftlichen Integrität

Der DFG-Kodex "Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" von 2019, der verpflichtend von wissenschaftlichen Einrichtungen umzusetzen ist, die eine DFG-Förderung beantragen, bietet in 19 Leitlinien Orientierung im Hinblick auf gute wissenschaftliche Praxis. Der Kodex umfasst neben der Textfassung auch die sogenannte "dritte Ebene", die online als dynamisches Dokument auf der Webseite der DFG zur Verfügung gestellt wird und fachspezifische Ausführungen, Fallbeispiele und Frequently Asked Questions enthält. Dies ermöglicht eine fortlaufende Aktualisierung und Anpassung an die wissenschaftliche Praxis.