Pinguine in der Antarktis
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Klimaforschung
Antarktis-Eis schwindet immer schneller

Wieder gibt es neue Erkenntnisse über den Anstieg des Meeresspiegels. Doch Deutschland kommt bei seinen Klimazielen nicht recht voran.

13.06.2018

Die Antarktis verliert einer Hochrechnung zufolge schneller Eis. Waren es von 1992 bis 2012 durchschnittlich etwa 76 Milliarden Tonnen pro Jahr, lag das Mittel zwischen 2012 und 2017 bei 219 Milliarden Tonnen jährlich – fast dreimal so viel. Insgesamt ließ das schmelzende Eis der Antarktis den weltweiten Meeresspiegel zwischen 1992 und 2017 um 7,6 Millimeter steigen. Diese Zahlen stellt ein internationales Forscherteam um Andrew Shepherd von der University of Leeds (Großbritannien) im Fachmagazin "Nature" vor.

"Laut unseren Analysen ist es in den letzten zehn Jahren zu einer Beschleunigung des Masseverlusts in der Antarktis gekommen", erklärt Shepherd. Die Antarktis trage gegenwärtig zu einem höheren Anstieg des Meeresspiegels bei als je zuvor in den letzten 25 Jahren. Würde sämtliches Eis in der Antarktis verschwinden, hätte das einen Anstieg des globalen Meeresspiegels um 58 Meter zur Folge.

Insgesamt 84 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 44 internationalen Organisationen führten 24 satellitengestützte Eismasseschätzungen zusammen, um den Eisverlust zu kalkulieren. Bei den zugrundeliegenden Daten wurden drei verschiedene Messmethoden angewendet: die Höhenmessung, die Messung der Schwerkraft und die Input-Output-Methode. Bei letzter werden untersucht: Zuwachs durch Schnee, Verlust durch Schmelzen, Kalben der Gletscher (Abbrechen großer Eisschollen) und Abfluss des Eises.

Schmelzendes Eis: "Es gibt vieles, was wir verhindern oder rückgängig machen können"

Den größten Anteil am Eismasseverlust hatte die Westantarktis, wo sich der jährliche Eisverlust von durchschnittlich 53 Milliarden Tonnen (1992 bis 2012) auf 159 Milliarden Tonnen (2012 bis 2017) verdreifachte. Doch auch in der Ostantarktis, wo es durch vermehrten Schneefall von 1992 bis 2012 einen Zuwachs der Eismasse gegeben hatte, hat sich das Blatt gewendet: Für den Zeitraum 2012 bis 2017 errechneten die Forscher einen jährlichen Verlust von 28 Milliarden Tonnen Eis für den ostantarktischen Eisschild.

Mitautor Veit Helm vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven betonte jedoch, dass die statistische Unsicherheit für die Eismassenbilanz der riesigen Ostantarktis am größten sei. "Die gemessenen Höhenänderungen sind sehr gering, da können auch kleine Messfehler große Auswirkungen haben." Auch seien die jährlichen Schwankungen bei den Schneemengen enorm, so dass der Trend, dass auch die Ostantarktis an Eismasse verliert, noch nicht als gesichert gelten könne. Helm betont, dass eine langfristige kontinuierliche Fortsetzung der Beobachtungszeitreihen durch sich nahtlos anschließende Satellitenmissionen mit verschiedenen Sensoren entscheidend sei, um die Veränderungen der Eisschilde zu beobachten und zu verstehen.

Die Zukunft der Antarktis hat auch Martin Siegert vom Imperial College London (Großbritannien) im Blick: "Einige der Veränderungen, mit denen die Antarktis konfrontiert ist, sind bereits irreversibel, wie der Verlust einiger Schelfeisgebiete, aber es gibt vieles, was wir verhindern oder rückgängig machen können", sagt er. Gemeinsam mit Stephen Rintoul vom Centre for Southern Hemisphere Oceans Research in Hobart (Tasmanien, Australien) und weiteren Wissenschaftlern hat er zwei mögliche Entwicklungen durchgespielt.

Wenn sich die Welt schon bald an strenge Klima- und Umweltschutzregeln halten würde (im besten Fall), würde die Lufttemperatur in der Antarktis demnach bis 2070 um 0,9 Grad steigen. Wenn alles weiterliefe wie bisher (im schlimmsten Fall), wären es drei Grad. Im besten Fall würde der Beitrag der Antarktis zum weltweiten Anstieg des Meeresspiegels sechs Zentimeter betragen, im schlimmsten Fall 27 Zentimeter, hat das Team errechnet. Das Ökosystem könnte weitgehend erhalten bleiben oder sich stark verändern. "Entscheidungen, die im nächsten Jahrzehnt getroffen werden, bestimmen, welche Entwicklung realisiert wird", mahnen die Forscher. "Es muss den Regierungen, denen wir vertrauen, ein Anliegen sein, unsere Küstenstädte und -gemeinden zu schützen", sagt Shepherd von der University of Leeds.

In Deutschland überwiegen teils noch die wirtschaftlichen Interessen. Während der CO2-Ausstoß etwa in der Energiewirtschaft deutlich zurückgehe, tue sich in der Verkehrindustrie bisher wenig. Das geht aus dem Klimaschutzbericht hervor, den die Bundesregierung am Mittwoch vorstellte. Demnach verfehle die Bundesrepublik ihr selbst gesetztes Klimaziel um voraussichtlich acht Prozentpunkte. Ziel war es, bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken. Derzeit scheinen nur 32 Prozent Ersparnis möglich. Die Regierung begründete dies unter anderem mit der "unerwartet dynamischen Konjunkturentwicklung sowie dem unerwartet deutlichen Bevölkerungswachstum".

dpa/kas