Eine Restauratorin arbeitet am Münchner Doerner Institut an der Restauration des Gemäldes "Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg" (um 1627-1632) von Anthonis van Dyck.
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Kunstgeschichte
Auf Spurensuche in alten Kunstwerken

Einen Blick in die Künstlerwerkstatt kann es auch bei alten Meistern geben. Mit moderner Technik werden in München Gemälde akribisch untersucht.

Von Cordula Dieckmann 27.10.2019

Antwerpen im Jahr 1609. Ein zehn Jahre alter Bub fängt eine Lehre bei einem Porträtmaler an. In einem Alter, in dem Kinder heutzutage gerade die Grundschule hinter sich haben, lernt Anthonis van Dyck die Grundbegriffe der Malerei und hat sechs Jahre später bereits eine eigene Werkstatt. Eine Ausstellung in der Alten Pinakothek in München gewährt Einblicke in die Arbeit des berühmten flämischen Barockmalers (1599-1641).

Mehrere Jahre lang haben Experten am Doerner-Institut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen mit moderner Technik seine Gemälde unter die Lupe genommen und den Bildern viele Geheimnisse entlockt, etwa wie der Künstler seine Kompositionen entwickelte, welche Farbpigmente er verwendete oder mit welchen Stellen er so unzufrieden war, dass er sie noch im Malprozess überarbeitete.

Geduldige Detektivarbeit

Es ist Detektivarbeit, wenn sich die Mitarbeiter des Instituts ein Kunstwerk vornehmen, mit viel Geduld, scharfen Augen und moderner Technik. Was die Einrichtung so besonders macht: Restauratoren, Kunsthistoriker und Naturwissenschaftler seien unter einem Dach und könnten sich austauschen, sagt die Direktorin Eva Ortner.

Wenn Bilder zur Konservierung oder Restaurierung im Institut ankommen, ist ihr Zustand oft nicht der beste. Farbe blättert ab, der Firnis ist verfärbt oder Schmutz verdunkelt die Farben. In Kleinarbeit und mit spitzem Pinsel lassen die Restauratoren Festigungsmittel unter winzige Farbschollen fließen, säubern ein Bild oder beseitigen Restaurierungssünden aus der Vergangenheit, indem sie unfachmännisch aufgebrachte Farbschichten vorsichtig entfernen.

Doch wie sah das Bild ursprünglich aus? Das kann man tatsächlich feststellen. Die Gemälde werden geröntgt, mit Infrarot-Strahlen beleuchtet oder unterm Mikroskop Millimeter für Millimeter erforscht. So wie das Porträt des Wittelsbacher Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, das um 1628 entstand und ihn mit einer Dänischen Dogge zeigt. Mehrere Kopien existieren davon.

Beim Exemplar der Staatsgemäldesammlungen glaubten Kunsthistoriker lange, dass es zwar in der Werkstatt Van Dycks entstanden, aber nicht von ihm eigenhändig gemalt worden war. Um sicher zu gehen, warfen die Forscher einen Blick fast 400 Jahre zurück in die Vergangenheit, mit technischen Mitteln. Beim Makro-Röntgenfluoreszenz-Scanning entstehe eine Art Landkarte zur Verteilung der Farbpigmente in einem Gemälde, erklärt Ortner. "Diese zeigt auch, welche Pigmente wo in tieferen Schichten verwendet wurden." So wird sichtbar, was ein Maler gemalt und wieder übermalt hat. "Van Dyck hat während des Malprozesses immer wieder Änderungen vorgenommen. Er hat Hintergründe und Figuren verändert, deren Gesten und Blickrichtungen", sagt die Restauratorin.

Der Meister war unzufrieden

Auch mit dem Bild des Pfalzgrafen und der Dogge war der Flame wohl nicht zufrieden. So hatten die Vorderpfoten des Hundes zunächst eine andere Stellung, stellten die Wissenschaftler fest. Das gefiel dem Maler nicht und er übermalte sie. Interessante Einblicke, die sich auf den Wert des Gemäldes auswirken dürften. Denn aufgrund dieser Erkenntnisse sind sich die Kunstforscher nun sicher: Bei diesem Bild führte der Barockmeister selbst den Pinsel.

Das Projekt zu Van Dyck ist mit der Ausstellung, die bis zum 2. Februar 2020 läuft, erst mal abgeschlossen. Aktuell werden im Doerner Institut Gemälde aus der Staatsgalerie im Schloss Johannisburg in Aschaffenburg restauriert, die gerade renoviert wird. Im Rahmen eines neuen Forschungsprojektes untersuchen sie zudem das Werk Emil Noldes, in Kooperation unter anderem mit der Stiftung Seebüll, der Hamburger Kunsthalle und der Hochschule der Bildenden Künste in Dresden. Das Ziel: Erkenntnisse über die Arbeitsweise und die Materialien des Expressionisten.

Doch nicht nur ältere Kunstwerke landen im Doerner Institut. Aktuell werden Skulpturen von Cy Twombly (1925-2011) aus dem Museum Brandhorst untersucht. Die Aufgabe: Herausfinden, woraus die Objekte gefertigt wurden, da jeder Stoff anders auf Temperaturen oder Luftfeuchtigkeit reagiert. "Twombly hat unterschiedliche Materialien miteinander kombiniert", berichtet Ortner. Erkenntnisse, die wichtig sind, damit die Skulpturen fachgerecht behandelt werden können, damit sie auch in Zukunft gut aussehen, denn: "Auch die Moderne altert."

dpa