Neue Aula der Universität Tübingen
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Uni Tübingen
Ausschuss bestätigt Fehlverhalten von Hirnforschern

Die Universität Tübingen kritisiert zwei Forscher für den unwissenschaftlichen Umgang mit Untersuchungsdaten. Das Rektorat kündigt Konsequenzen an.

06.06.2019

Der renommierte Hirnforscher Niels Birbaumer und ein weiterer Forscher der Universität Tübingen haben mehrfach gegen die "gute wissenschaftliche Praxis" verstoßen. Das hat ein Untersuchungsausschuss der Universität festgestellt und fordert daher, die Studie zurückzuziehen.

Wie die Uni am Donnerstag mitteilte, wirft die Kommission den Forschenden vor, in einer Studie umfangreiche Untersuchungsdaten nicht komplett ausgewertet und berücksichtigt zu haben. Dabei hätten sie nicht kenntlich gemacht, warum die Daten ausgeschlossen wurden. Die selektive Datenauswahl stelle nach Ansicht der Kommission eine "Verfälschung von Daten durch Zurückweisen unerwünschter Ergebnisse ohne Offenlegung" dar.

Auch die Rohdaten zu im Artikel dargestellten Ergebnissen fehlten zum Teil und seien der Kommission nicht nachgereicht worden. Das sei eine "Verfälschung von Daten durch Unterdrückung von relevanten Belegen", so die Universität. Außerdem sei die computergestützte Auswertung oft fehlerhaft oder nicht nachvollziehbar und die Ergebnisse daher statistisch nicht signifikant belegbar.

Weitere Publikationen sollen geprüft werden

Externe Gutachter sollten zudem alle Publikationen der beiden Wissenschaftler seit 2014 nachträglich prüfen. Auch Birbaumers Status des "Seniorprofessors" solle durch das Rektorat der Uni geprüft werden. Die Hochschulleitung will laut Mitteilung die Empfehlungen der Kommission prüfen und zeitnah reagieren.

Die Überprüfung war im Frühjahr 2018 durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität ausgelöst worden, der sich mit Zweifeln an der Studie an Vertrauenspersonen der Medizinischen Fakultät gewandt hatte. Der Mitarbeiter erhielt einem dem "SZ Magazin" vorliegenden E-Mail-Wechsel zufolge bei Birbaumers Arbeitsgruppe nach kurzer Zeit eine Absage, weil er "nichts von der Sache verstehe".

Wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, sei der Fall auch aufgrund Birbaumers Prominenz brisant. Der 73-jährige habe in vielen Bereichen der Psycho-Physiologie ausgezeichnete Wissenschaft betrieben. Das Fachjournal "PLOS Biology", das Birbaumers Publikation veröffentlicht hatte, habe erst nach über 18 Monaten die Entgegnung des Kritikers veröffentlicht.

Der bekannte Seniorprofessor und ein weiterer Forscher waren an einer Studie an Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) beteiligt, um mit diesen gelähmten Patienten wieder kommunizieren zu können. Die Wissenschaftler gaben an, aus den Messdaten auf die Gedanken der Patienten schließen zu können. Betroffene, die sich über diese Einschätzung beraten lassen wollen, könnten sich laut der Universität an das Dekanat der Medizinischen Fakultät wenden.

ckr