leere Regale in einem Supermarkt nach Hamsterkäufen zu Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland
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Krisenjournalismus
Berichterstattung zur Corona-Krise ähnelt Blockbustern

Passauer Forscher haben den Aufbau der Corona-Sondersendungen in ARD und ZDF untersucht. Diese hätten die Lage teils inszeniert wie in Hollywood.

26.08.2020

Die Berichterstattung in Sondersendungen zur Corona-Pandemie bediente sich teilweise erzählerischen Inszenierungen, die eher in Hollywood-Blockbustern als in Dokumentationen üblich sind. Zu diesem Schluss kommen die beiden Kulturwissenschaftler Dr. Dennis Gräf und Dr. Martin Hennig von der Universität Passau in ihrer jüngsten Studie. Anhand der Sendungen "ARD Extra – Die Coronalage" und "ZDF Spezial" haben die Forscher darin die mediale Konstruktion der Lage Deutschlands in der Corona-Krise wissenschaftlich analysiert, teilte die Uni Passau mit.

Die Sendungen enthielten teilweise Fiktionalisierungsstrategien, die auf "die Bildwelten apokalyptischer Endzeiterzählungen verweisen", schlossen die Forscher. Das seien beispielsweise Bilder von verwaisten Orten und Geschäften oder das "aus Virenthrillern gespeiste Motiv des zeitlichen Wettlaufs um die Entwicklung eines Impfstoffes", die für Dokumentationen eher unüblich seien. Die Inszenierungen der durch die Krise hervorgerufenen Probleme durch krisenhafte Bildsprache hätten diese "im Zusammenspiel zu einer vollständig negativen Weltsicht übersteigert." Als leitendes erzählerisches Muster sei die Krise dabei nicht nur inhaltliches Thema, sondern auch rhetorisches Mittel gewesen, um die Krise aufrechtzuerhalten – und um weitere Sondersendungen zu legitimieren.

Zudem attestierten die Forscher den Sendungen eine Dominanz des Leistungsprinzips. Bei der Darstellung der Corona-Folgen für Familien hätten die Berichte ein Leistungsideal betont, das um Produktivität, Effizienz und Pflichterfüllung kreise. Diese Darstellung habe das Familienleben in der Krise abgewertet.

Kritische Hinterfragung der Politik blieb aus

Insgesamt hätten die Forscher in den Sondersendungen eine Tendenz "zur Affirmation der staatlichen Maßnahmen" festgestellt. Kritische Fragen seien zwar durchaus gestellt worden, eine tiefergehende Kritik an oder Hinterfragung zu Sinn und Verhältnismäßigkeit der von der Politik getroffenen Maßnahmen sei jedoch meist ausgeblieben.

Mehr als 90 Ausgaben der beiden Sendungen haben die Forscher der Mitteilung zufolge von Mitte März bis Mitte Mai hinsichtlich Aufbau, Konzeption, Informationsgehalt, Themen- und Personenauswahl sowie Rhetorik und Inszenierung untersucht. "Angesichts der anhaltenden Ausnahmesituation seit dem Frühjahr 2020 stellte sich die drängende Forschungsfrage nach den Auswirkungen der Pandemielage auf die gesellschaftliche Selbstwahrnehmung", beschrieb Hennig die Motivation hinter dem Forschungsprojekt.

Als politische Meinung oder grundsätzliche Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen die Autoren ihre wissenschaftliche Studie nicht verstanden wissen. Zustimmung und Kritik an ihrer Studie sei im Rahmen einer differenzierten Debatte gleichermaßen willkommen. "Die Studie besteht aus einer Analyse der Rhetoriken und Strategien der Sondersendungen", betonte Gräf. "Sie fordert also zu einem wissenschaftlichen Anschluss auf, beispielsweise die Sondersendungen in ein Verhältnis zur gesamten Berichterstattung von ARD und ZDF zu Corona zu setzen."

ckr