Emmanuelle Charpentier
dpa

Mitbegründerin der Methode Crispr-Cas
Charpentier äußert sich zu Gen-Babys – "rote Linie überschritten"

Erst wollte sie die wissenschaftliche Veröffentlichung abwarten. Jetzt nimmt Emmanuelle Charpentier doch Stellung zu Crispr-Versuchen aus China.

28.11.2018

Emmanuelle Charpentier, eine der Mibegründerinnen der gen-technischen Methode Crispr, hat sich zu den vermeintlichen Versuchen an Menschen in China geäußert. "Ich bin von den Nachrichten, dass in China CRISPR-editierte Babies geboren wurden, überrascht worden", teilte sie in einem Statement mit. "Und ich bin sehr besorgt darüber."

Zunächst hatte die am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie forschende Wissenschaftlerin auch gegenüber Forschung & Lehre erklärt, sie wolle vorerst keine Stellungnahme abgeben und die wissenschaftlichen Belege der vermeintlichen Studie abwarten.

Der Forscher hinter den Gen-Experimenten, He Jiankui, habe "eine rote Linie überschritten, vor allem weil er für seine Forschungsarbeiten die Bedenken der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft bezüglich der Sicherheit von Keimbahneingriffen ignoriert hat", betont Charpentier.

Ein Bericht der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften sei 2017 demnach zwar zu dem Schluss gekommen, dass Keimbahneingriffe auf Grundlage von wissenschaftlich begutachteter klinischer Studien zugelassen werden könnten, allerdings nur, wenn es dazu keine Alternativen gebe und nur unter maximaler Transparenz und strikter Überwachung. Solche Versuche sollten unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen und breiter öffentlicher Beteiligung stattfinden – dies sei bei He Jiankuis Gen-Versuchen nicht der Fall gewesen.

Potenzial von Crispr für neue Behandlungsansätze

Emmanuelle Charpentier ist weiterhin von ihrer Methode überzeugt. "Ich glaube fest daran, dass das Editieren von Genen in menschlichen embryonalen Zellen entscheidend wichtig für Forschungszwecke ist, weil es zum Verständnis von Entwicklungen im frühen Leben beiträgt, was dazu dienen könnte, die Entstehung bestimmter Krankheiten zu verhindern."

Neue Behandlungsansätze gegen schwere Erbkrankheiten würden derzeit weltweit von Wissenschaftlern erforscht. Erste klinische Tests an Patienten, die bereits an einer Krankheit litten, liefen bereits. Dabei handelt es sich um sogenannte somatische Gen-Therapien, deren Auswirkungen nicht vererbbar sind.

"Ich bin entschieden gegen die Verwendung von CRISPR-Cas9-Gen-Editierung für menschliche Optimierung." Emmanuelle Charpentier

Jede andere Form der Verwendung der Crispr-Gen-Schere in Menschen sei in Europa und den USA derzeit verboten, betont Charpentier in ihrem Statement. "Und das ist richtig so." Man befinde sich noch immer in einem sehr frühen Stadium des Erkenntnisprozessesüber die Folgen der Genveränderungen in menschlichen Zellen, und es wäre daher "unverantwortlich", diese Technologie in der menschlichen Keimbahn einzusetzen. "Die Veränderungen sind irreversibel und werden von einer Generation an die nächste weitergegeben."

Um Missbrauch zu verhindern, plädiert Charpentier für eine "strikte Regulierung" der Erforschung menschlicher embryonaler Zellen. "Ich bin entschieden gegen die Verwendung von Crispr-Cas-9-Gen-Editierung für menschliche Optimierung."

Die Forschung von He Jiankui gilt unter Kritikern als solche Optimierung, "Enhancement", weil gesunde Kinder gegen die theoretische Möglichkeit einer HIV-Infektion geschützt werden sollten und sie nicht bereits erkrankt waren.

Charpentier ruft zu einem breiten Diskurs über genetische Veränderungen durch Crispr-Cas auf, unter "Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, Politikern, Ärzten, Forschern und Entwicklern – idealerweise auf internationaler Ebene".

kas