Menschen in Schutzkleidung auf einer Straße mit Absperrungen während des Lockdowns in Shanghai Anfang Mai 2022.
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Corona-Pandemie
Chinesische Forschende befürchten riesige Corona-Welle

Sollte China die Null-Covid-Strategie aufheben, könnten mehr als eine Million Menschen sterben. Das ergeben die Berechnungen einer neuen Studie.

10.05.2022

Bei einer vollständigen Aufhebung der Null-Covid-Strategie in China könnte nach Berechnungen chinesischer Forschender eine "Tsunami"-Welle von Corona-Infektionen mit 1,55 Millionen Toten über das Land mit einer Bevlkerung von 1,4 Milliarden Menschen rollen. Laut ihrer Studie im Wissenschaftsmagazin "Nature Medicine" könnte es innerhalb von sechs Monaten 112 Millionen symptomatische Infektionen geben. Der Bedarf an Intensivbetten wäre 15,6 Mal höher als die Kapazität.

Nach zwei Jahren weitgehend erfolgreicher Virus-Bekämpfung und Abschottung könnte China so Opfer seines eigenen Erfolges werden, da es keinerlei Durchseuchung gibt. "Fehlender Impfschutz und Abwesenheit des Virus lassen die chinesische Bevölkerung ähnlich dastehen wie die gesamte Weltbevölkerung zu Beginn der Pandemie", sagte Professor Timo Ulrichs, Experte für Globale Gesundheit an der der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin der dpa.

Währenddessen wächst in China der Unmut gegenüber den strengen Corona-Maßnahmen. Bei Nahrungsmittellieferungen hapert es. Die medizinische Versorgung ist eingeschränkt. Bei Bränden kommen Feuerwehrautos nicht durch Absperrungen. Der Frachtverkehr über den größten Hafen der Welt in Shanghai ist eingebrochen, weil schon Lastwagen fehlen. Lieferketten sind unterbrochen. Die meisten der 26 Millionen Bewohner der Hafenmetropole Shanghai sowie zig Millionen in anderen Metropolen vor allem im Nordosten Chinas sind seit mehr als einem Monat im Lockdown.

Mögliche Auswege aus dem Dilemma

Mit ihrer Warnung stützen die chinesischen Forschenden zwar die umstrittene harte Covid-Politik der Pekinger Führung, umreißen aber auch das aus ihr resultierende Dilemma und zeigen mögliche Auswege auf, wie die Zahl der Toten und Erkrankten reduziert werden könnte. Eine "Schlüsselrolle" spielten Impfungen, darunter Booster und Kampagnen für ältere Menschen über 60, sowie zusätzlich antivirale Therapien und Kontaktbeschränkungen. Es müsse eine Kombination geben, weil keiner der Vorschläge allein in der Lage wäre, die Todeszahl auf das Niveau üblicher Grippewellen in China (88.000 Tote) zu drücken oder einen übermäßigen Bedarf an Intensivbehandlungen zu vermeiden.

Zwar seien bislang 91 Prozent der Bevölkerung des Milliardenvolkes geimpft und 53 Prozent auch geboostert, schreiben die Forschenden. "Doch könnte diese Immunität durch Impfungen nicht ausreichen, um Ausbrüche zu verhindern", meinten die Autoren, die vor allem an der Fudan-Universität in Shanghai, aber auch in den USA arbeiten.

Ulrich glaubt nicht, dass unmittelbar nach einer vorsichtigen Öffnung in China eine Überlastung des Gesundheitswesens erfolgen würde. Es käme "ganz auf die richtige Strategie an". Es wäre China zu empfehlen, "mit behutsamen Öffnungen das Virus ins Land zu lassen".

dpa/cpy