Außenansicht des Universitätsklinikums Ulm
picture alliance/dpa / Stefan Puchner

Long-Covid-Syndrom
Corona hinterlässt häufig Organschäden

Mediziner der Uniklinik Ulm untersuchen Menschen mit Langzeit-Beschwerden nach einer Covid-19-Erkrankung. Erste Erkenntnisse des Forschungsprojekts.

20.07.2021

Viele Menschen, die eine Covid-19-Erkrankung hinter sich haben, sind alles andere als gesund. Je länger die Pandemie dauert, desto mehr rücken die Spätfolgen für Genesene in den Vordergrund. Ein Forschungsprojekt der Universitätsklinik Ulm beschäftigt sich mit den Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung für Herz und Lunge. Die Spezialisten für innere Medizin haben im Februar eine Sprechstunde für Betroffene eingerichtet. Zu Beginn des Angebots habe es mehr als 1.000 Anfragen in einer Woche gegeben, wie der betreuende Oberarzt Dr. Dominik Buckert von der Spezialambulanz für Covid-Spätfolgen an Lunge, Herz und Gefäßen sagt.

Inzwischen sind mindestens 250 Menschen wegen Beschwerden nach einer Covid-19-Erkrankung in die Sprechstunde gekommen. Eine erste Zwischenbilanz fällt deutlich aus: 20 Prozent der Betroffenen haben Organschäden. Der größte Teil der übrigen Patientinnen und Patienten fühle sich schlechter als vor der Erkrankung, habe aber keine Schäden an den Organen, sagt Buckert. Die meisten Menschen, die in die Sprechstunde kommen, sind demnach zwischen 40 und 50 Jahre alt. "Und eigentlich verhältnismäßig gesund, also ohne chronische Vorerkrankungen", so der Oberarzt. Die jüngsten der etwas mehr männlichen Patienten sind um die 20 Jahre alt.

Zudem seien überdurchschnittliche viele Sportler dabei. Buckert erklärt sich das damit, dass insbesondere bei Sportlern das Körpergefühl ein ganz anderes und deshalb die Wahrnehmung von Einbußen bei ihnen auch stärker ausgeprägt sei. Er teilt die Betroffenen grob in drei Gruppen ein, die im Einzelfall aber nicht so leicht zu trennen seien. Eine Gruppe sei vor allem verunsichert und habe Angst vor möglichen Folgen der Erkrankung. Eine andere habe sich während der Pandemie deutlich weniger bewegt und merke deshalb Leistungseinbußen. "Und bei einer dritten Gruppe stellen wir ernste Schäden an den Organen fest."

Neurologische Beschwerden und Luftnot sind häufige Folgen

Die Beschwerden sind dabei vielfältig. Zum einen berichteten die Patientinnen und Patienten von neurologischen Beschwerden wie Wortfindungsschwierigkeiten, Geschmacksstörungen oder Nervenschmerzen und Taubheit, sagt der Mediziner. Aber auch Luftnot, vor allem unter Belastung, und physische Leistungseinbußen gehörten dazu. Bei neurologischen Beschwerden verweisen Buckert und seine Kollegen an andere Experten im Haus, da sie sich auf Lungen- und Herzerkrankungen konzentrieren. Doch auch mit Fokus allein auf dieses Fachgebiet sagt Buckert zu Covid-19: "Wir sind immer noch dabei zu verstehen, was wir da vor uns haben."

Um den Beschwerden auf den Grund zu gehen, untersuchen die Ulmer die Patientinnen und Patienten Schritt für Schritt. Was etwa mit einer Blutuntersuchung, einem Ultraschall des Herzen und einem Lungenfunktionstest beginnt, wird je nach Befund beispielsweise mit einer Kernspintomographie des Herzen und individuellen Nachuntersuchungen fortgesetzt.

Bei den rund 20 Prozent der Genesenen mit Organschäden beobachten die Ärztinnen und Ärzte vor allem Herzmuskelentzündungen und die Folgen davon. Dazu gehörten etwa Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen, so Buckert. "Bei der Lunge beobachten wir, dass sich das Lungengerüst verändert und so ein schlechterer Gasaustausch möglich ist." Atemnot sei die Folge.

Forschung zu Post-Covid-Syndrom steht noch am Anfang

Die bisherigen Erkenntnisse des Ulmer Forschungsprojekts mit ihrem Fokus auf Herz- und Lungenschäden decken nur einen Teil der Corona-Langzeitfolgen ab und sind erst der Beginn der tiefer gehenden Auseinandersetzung mit diesem Thema, das Mediziner auch als Long-Covid- oder Post-Covid-Syndrom bezeichnen.

Buckert betont die Wichtigkeit des Austauschs mit anderen Kliniken zu Corona-Spätfolgen. Deren Rückmeldungen deckten sich mit dem, was sie bislang an Erkenntnissen gewonnen hätten. Zudem deuteten die Rückmeldungen darauf hin, dass die ersten Erkenntnisse der Ulmer Medizinerinnen und Mediziner durchaus repräsentativ seien.

Die Relevanz des Themas hat auch die Landesregierung in Baden-Württemberg erkannt. Sie möchte die Erforschung von Corona-Spätfolgen mit rund 2,3 Millionen Euro fördern. Die Gelder sollen an die vier Unikliniken in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm gehen, um die gemeinsame Erforschung von Long-Covid voranzutreiben. Buckert und seine Kolleginnen und Kollegen arbeiten indes daran, ihre Erkenntnisse in einer Studie zu verarbeiten.

dpa/ckr