Long-Covid-Patient auf einem Ergometer spricht mit einem Arzt und einer Therapeutin
picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild / Waltraud Grubitzsch

klinische Studien
Covid-Studien berücksichtigen kaum Geschlechter-Unterschiede

Erkrankungen verlaufen bei Männern und Frauen häufig unterschiedlich. Inwiefern das für Covid-19 gilt, ist schlecht untersucht.

07.07.2021

Obwohl sich das Coronavirus unterschiedlich auf Frauen und Männer auswirkt findet das in den meisten klinischen Studien keine Berücksichtigung. Dabei müssten Frauen und Männer unterschiedlich behandelt werden, stellt eine am Dienstag veröffentlichte internationale Analyse von Forschenden der Universität Bielefeld, des Radboud University Medical Center (Niederlande) sowie der Universitäten Aarhus und Kopenhagen (Dänemark) fest.

Während der Pandemie habe sich herausgestellt: "Männer sind häufiger von schweren Krankheitsverläufen betroffen, müssen öfter im Krankenhaus behandelt werden und sterben schließlich im Zusammenhang mit dem Virus auch öfter." Woran das liege, sei bisher nicht vollständig erforscht. Ebenso gebe es einen Zusammenhang zwischen der sozialen Geschlechterrolle und der Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Virus anzustecken. Dementsprechend steige das Ansteckungsrisiko von Frauen, weil sie häufiger als Pflegekräfte tätig seien und in Berufen mit viel Kundenkontakt arbeiteten.

"Das zeigt: Gender und Geschlecht müssen in klinischen Studien und in der Gesundheitspolitik berücksichtigt werden", bilanzierte Medizin-Professorin Sabine Oertelt-Prigione von der Universität Bielefeld. Das Forscherteam analysierte knapp 4.500 stichprobenartig ausgewählte internationale Covid-19-Studien, darunter rund 1.700 Beobachtungsstudien und 2.500 Interventionsstudien.

Die Metaanalyse habe ergeben, dass nur vier Prozent der Corona-Studien ausdrücklich vorsahen, Geschlecht oder Gender als Variable einzubeziehen. Weitere fünf Prozent planten geschlechtsspezifische oder repräsentative Stichproben ein oder hoben die Bedeutung von Geschlecht oder Gender hervor. Studien mit dem Fokus auf Frauen untersuchten demnach meist den Einfluss des Virus auf Schwangerschaften. In publizierten Forschungsartikeln zu klinischen Studien sei das Thema Geschlecht und Gender in jeder fünften Analyse erwähnt worden. Ein möglicher Grund für die Vernachlässigung von Daten zu Geschlecht und Gender sei der hohe Zeitdruck.

"Wir sehen zunehmend, dass Frauen und Männer auf die Behandlung mit Medikamenten unterschiedlich reagieren", stellte Oertelt-Prigione fest. "Wenn dieser Zusammenhang in Studien ignoriert wird, kann das langfristig zu ernsthaften, ungewollten Nebeneffekten führen." Die Geschlechterunterschiede in den Blick zu nehmen, habe bei Covid-19 vielfach dazu beigetragen, die Infektion besser zu verstehen. "Es wird uns auch helfen, die medizinischen Behandlungen zu verbessern."

dpa/ckr