Nahaufnahme einer TV-Fernbedienung auf einem Tisch mit verschwommener Gruppe von Menschen, die zu Hause im Hintergrund Filme gucken.
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Studie zu Diversität im TV
Deutsches Fernsehen weniger divers als Bevölkerung

Das Fernsehen ist kein realistischer Spiegel der deutschen Bevölkerung. Eine Studie zeigt, welche Personengruppen unterrepräsentiert sind.

20.10.2021

Im Fernsehen und in deutschen Filmen wird die bestehende gesellschaftliche Vielfalt nicht respräsentativ abgebildet. Zu diesem Schluss kommen drei Kommunikationswissenschaftlerinnen von der Universität Rostock, die in einer großangelegten Studie Diversität im deutschen Fernsehen untersucht haben. Anfang Oktober hat das Team um Professorin Elizabeth Prommer vom Institut für Medienforschung die Ergebnisse zur "audiovisuellen Diversität" im TV vorgestellt. In Auftrag gegeben hatten die Studie die MaLisa Stiftung und mehrere TV-Sender.

In Informationssendungen herrschte 2020 demnach inzwischen ein annähernd realistisches Bild: Moderation und journalistische Funktionen näherten sich im TV der Geschlechterparität an – ein deutlicher Fortschritt gegenüber der Vorgängerstudie von 2016. Über alle Formate hinweg waren auf dem Bildschirm allerdings nur zu 34 Prozent Frauen in prägenden Rollen zu sehen. Zum Vergleich: 2016 waren es 33 Prozent. Insbesondere in Expertenrollen herrschte weiterhin ein Ungleichgewicht: 74 Prozent der Expertinnen und Experten in TV-Informationsformaten waren männlich (2016: 77 Prozent).

Zudem hätten elf Prozent der Personen im TV einen Migrationshintergund, in der deutschen Bevölkerung trifft dies laut Studie aber auf 26 Prozent der Menschen zu. Auch Behinderungen, sexuelle Orientierungen und Zuschreibungen der ethnischen Herkunft der dargestellten Personen haben in den Sendungen nicht der Realität entsprochen. In der Bevölkerung hätten rund sechs Prozent eine sichtbar schwere Behinderung, in den untersuchten Programmen habe dies jedoch nur auf weniger als ein Prozent der Hauptpersonen zugetroffen. Schwarze Menschen und People of Colour, die rund zehn Prozent der Bevölkerung darstellten, seien nur zu rund fünf Prozent unter den Hauptpersonen erkennbar gewesen.

"Fassen wir die Ergebnisse zusammen, so bildet unser Fernsehprogramm bisher noch nicht die Vielfalt der in Deutschland lebenden Personen ab. Es wird eine überwiegend weiße und männliche Welt gezeigt", erklärte Prommer. In neueren Produktionen, die 2020 produziert oder uraufgeführt wurden, sei jedoch eine positive Entwicklung zu mehr Geschlechterparität und Vielfalt erkennbar.

Codebuch zur Erkennung der Vielfalt

Analysiert haben die Forscherinnen die Inhalte nach Geschlecht, sexueller Orientierung, ethnischer Herkunft, Migrationshintergrund und Behinderung der dargestellten Personen – insgesamt rund 25.000 Protagonistinnen und Protagonisten aus Tausenden, repräsentativ ausgewählten Sendungen, die 2020 ausgestrahlt wurden. Ausgewertet haben diese Filme und TV-Programme am Projekt beteiligte Hilfskräfte mit einem sogenannte Codebuch: einer Anleitung mit Beispielen, um nach möglichst einheitlichen Kriterien auszuwerten.

Diese Kategorisierung erfolgte als Fremdzuschreibung nach äußerlichen Merkmalen, in Anlehnung an die aktuelle internationale Forschung, heißt es in der Studie. "Uns ist dabei bewusst, dass eine Codierung dieser Dimensionen einem potenziellen Vorwurf der Festschreibung von Diskriminierung und Rassismus standhalten muss. So wird allein durch die Operationalisierung ein 'Othering' sichtbar", schreiben die Forscherinnen dazu.

Die "Bild"-Zeitung warf den Forscherinnen vor, bei dieser Methode "rassistische Kategorien" verwendet zu haben, berichtete der "Spiegel". Prommer verteidigte ihr Vorgehen: "Unterrepräsentanz oder Unsichtbarkeit kann ich nur durch Zählen festmachen."

ckr