Das Foto zeigt den Hirnforscher Niels Birbaumer bei einer Vorlesung.
dpa

Wissenschaftliches Fehlverhalten
DFG beschließt Maßnahmen gegen Hirnforscher Birbaumer

Die Universität Tübingen hatte den Hirnforscher Niels Birbaumer bereits wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens verurteilt. Nun zieht die DFG nach.

19.09.2019

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat den an der Universität Tübingen als Seniorprofessor tätigen Hirnforscher Professor Niels Birbaumer wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens für jeweils fünf Jahre von der Antragsberechtigung und von jeder Gutachtertätigkeit bei der DFG ausgeschlossen. Zudem will die DFG für Birbaumer bewilligte und von ihm abgerufene Fördermittel zurückfordern. Schließlich wird der Wissenschaftler aufgefordert, die betreffenden Publikationen zurückzuziehen. Das teilte die DFG heute mit.

Birbaumers Mitarbeiter Chaudhary wird laut DFG für drei Jahre von der Antragsberechtigung und der Inanspruchnahme als Gutachter ausgeschlossen und ebenso aufgefordert, die beiden gemeinsam mit Birbaumer veröffentlichten Publikationen zurückzuziehen.

Die DFG hatte das Untersuchungsverfahren gegen die beiden Wissenschaftler im März 2019 eröffnet, nachdem ihr im April 2018 durch einen Hinweisgeber erstmals Vorwürfe wissenschaftlichen Fehlverhaltens gegen die beiden Wissenschaftler angezeigt worden waren. Diese konnten durch die Einholung eines ersten externen Gutachtens nicht entkräftet werden. Zwei weitere Hinweisgeber bestätigten und erweiterten die Vorwürfe im April 2019. Im Laufe des Verfahrens wurden ein weiteres externes Gutachten eingeholt und die beiden Wissenschaftler vom Untersuchungsausschuss angehört.

Verantwortung als Forscher nicht gerecht geworden

Die Vorwürfe gegen Birbaumer und Chaudhary bezogen sich auf von der DFG geförderte Forschungen mit schwerstkranken Patienten, die aufgrund einer neurodegenerativen Erkrankung vollständig gelähmt sind und sich ihrer Außenwelt nicht mehr mitteilen können. Die Wissenschaftler zielten mit ihren Arbeiten darauf ab, mit diesen CLIS-(completely locked-in-)Patienten wieder kommunizieren zu können.

Mit seinem Beschluss verbindet die DFG laut Mitteilung keine Aussage zur Validität der von den beiden Forschern aufgestellten Thesen zur Kommunikation mit CLIS-Patienten. Vielmehr hebe sie die "besondere Verantwortung" hervor, die mit den durchgeführten Forschungen einhergehe und die vor allem gegenüber den schwerstkranken Patienten und deren Angehörigen, wegen des neuartigen Forschungsansatzes aber auch gegenüber der Allgemeinheit gelten müsse. Dieser Verantwortung, die sich insbesondere auf die exakte Dokumentation des gesamten Forschungsprozesses beziehe, seien die beiden Wissenschaftler nicht gerecht geworden.

Ein weiteres Untersuchungsverfahren gegen Birbaumer und Chaudhary war an der Universität Tübingen durchgeführt worden; hier stellte eine Untersuchungskommission im Juni 2019 ein wissenschaftliches Fehlverhalten der beiden Wissenschaftler fest.

Kurz nach Veröffentlichung des DFG-Beschlusses ließ Birbaumer laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung ein Statement verbreiten, in dem er bedauere, dass es ihm nicht gelungen sei, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften. "Selbstverständlich habe ich die gesamte Auseinandersetzung zum Anlass genommen, meine Arbeitsweise kritisch zu hinterfragen", schreibt Birbaumer demnach. Es sei ihm ein "großes persönliches Anliegen, dass Unzulänglichkeiten bei der Publikation (...) nicht dazu führen, dass den von uns betreuten Patienten ihre bescheidenen Möglichkeiten zur Kommunikation genommen werden." In der Stellungnahme gesteht er der SZ zufolge ein, nicht jeden einzelnen Schritt der Datenauswertung in seiner Studie beschrieben und durch Videoaufnahmen dokumentiert zu haben.

Parallel zur DFG hat laut Zeitungsbericht die Universität Tübingen ein Disziplinarverfahren gegen Birbaumer eingeleitet.

aktualisiert am 19. September 2019 um 16.51 Uhr

gri