Ärztin spritzt einem Patienten einen Impfstoff in den Arm
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Coronavirus
"Die Entwicklung eines Impfstoffs ist ein mühsamer Prozess"

Weltweit arbeiten Forscher an einem Impfstoff gegen Sars-CoV-2. Die WHO rechnet dafür mit 18 Monaten. Warum dauert das so lange?

19.02.2020

In vielen Ländern arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler derzeit an der Entwicklung eines Impfstoffes gegen das neue Coronavirus Sars-CoV-2. Vor allem biotechnologische Verfahren kommen dabei zum Einsatz, um einen Impfstoffkandidaten schneller für die Prüfung in klinischen Studien bereitzustellen. Dafür benötigen die Forscherinnen und Forscher nicht wie üblich die Viren selbst, sondern nur deren genetische Information.

Die Sequenz des neuen Virus ist seit Wochen bekannt. Darin stecken alle Informationen für seine Vermehrung – auch für die Herstellung jener Bestandteile, auf die der Körper nach einer Impfung mit der Bildung von Antikörpern und anderen Abwehrstoffen reagiert. Bei Coronaviren sei das ein Protein der Virushülle, welches das Virus nutzt, um in menschliche Zellen einzudringen, erläutert der Virologe Professor Gerd Sutter von der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Auf dieses Protein konzentrieren sich die Impfstoffentwickler. In China arbeitet das Krankenhaus der Shanghaier Tonji Universität gemeinsam mit dem Unternehmen Stermirna Therapeutics an einem Impfstoff, der auf mRNA beruht, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete. Auch das biopharmazeutische Unternehmen CureVac mit Hauptsitz in Tübingen setzt auf mRNA.

Unterschiedliche Transporter, selber Angriffspunkt

Dieses Molekül vermittelt in Zellen die Umsetzung der im Erbgut steckenden Informationen in ein Protein. Dieses Prinzip der Natur machen sich die CureVac-Wissenschaftler zunutze: Sie verpacken die mRNA-vermittelte Bauanleitung für das Hüllprotein von Sars-CoV-2 in Nanopartikel, die die Information in die Zellen liefern. Die Zellen bilden dann das Hüllprotein und präsentieren es auf ihrer Oberfläche, woraufhin das Immunsystem mobilisiert wird.

In Kooperation mit dem Münchner Team um Sutter arbeitet auch eine Gruppe um den Virologen Professor Stephan Becker von der Universität Marburg an einem Impfstoff. Sie nutzen als Transporter für die Bauanleitung des Hüllproteins ein Virus, das Menschen nicht krank macht. Es dringt nach der Impfung in Zellen ein und bildet dort das Hüllprotein, das dann vom Immunsystem erkannt wird. Die Konstruktion des Impfvirus und erste Produktionsschritte seien voraussichtlich bis Ende März abgeschlossen, erläutert Becker.

Sutter und Becker gehören zu den Entwicklern des Impfstoffs gegen das 2012 entdeckte Mers-Coronavirus. Das dafür entwickelte Konzept wollen sie nun für das neue Coronavirus anpassen. Mit den verwendeten biotechnologischen Verfahren können einmal etablierte Konzepte schnell an neue Erreger angepasst werden. Lediglich die Bauanleitung für das Protein, auf das die körpereigene Abwehr reagiert, muss dazu ausgetauscht werden.

Klinische Prüfung dauert am längsten

Sobald ein erster Impfstoffkandidat gefunden wurde, wird die Impfstoff-Entwicklung allerdings erst richtig mühsam: Zulassung und klinische Prüfung des Kandidaten verschlingen am meisten Zeit. "Gibt es einen Kandidaten, prüft man im Tiermodell, ob überhaupt Antikörper gebildet werden und ob diese das Virus hemmen", erläutert Becker. Als Nächstes werde geprüft, ob man Tiere mit dem Wirkstoff vor einer Ansteckung schützen kann, dann werde der Impfstoff in großem Maßstab produziert und toxikologisch getestet. "Wenn das alles gut verläuft, kann man einen Antrag stellen auf eine klinische Studie."

"Die Entwicklung eines Impfstoffs ist ein langwieriger, mühsamer Prozess", sagt Sutter. Für Becker ist es ein notwendiges Prozedere. "Diese Impfstoffe müssen sicher sein, sonst tut man sich keinen Gefallen." Wenn der politische oder medizinische Druck hoch genug sei, würden die Zulassungsverfahren beschleunigt. Während des Ebola-Ausbruchs in Westafrika etwa sei die Erlaubnis für die klinische Studie sehr schnell vom zuständigen Paul-Ehrlich-Institut erteilt worden. Becker ist optimistisch, auch für einen Kandidaten gegen Sars-CoV-2 vergleichsweise schnell die Zulassung für eine klinische Studie zu bekommen – eben weil die eingesetzte Plattform bereits im Zusammenhang mit dem Mers-Impfstoff etabliert wurde.

Gemeinhin werden für die Entwicklung von Impfstoffen etwa 15 Jahre veranschlagt. Für das 2012 entdeckte Mers-Virus wird ein Impfstoff erst seit 2018 klinisch geprüft. "Ich bin insgesamt sehr sicher, dass wir erste experimentelle Impfstoffe noch dieses Jahr sehen werden", sagte Sutter über das neue Coronavirus. WHO-Chefwissenschaftlerin Soumya Swaminathan glaubt, dass erste Impfstoff-Tests an Menschen in drei bis vier Monaten beginnen könnten. Ein zertifizierter Impfstoff für weitreichenden Einsatz stehe aber wohl erst in 18 Monaten zur Verfügung.

dpa/ckr