Das Foto zeigt eine Maus für Versuchszwecke an der Universität Duisburg-Essen.
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Tierversuche
Droht Tierexperimenten eine Blockade?

Die Bundesregierung überarbeitet das Tierschutzgesetz und plant eine intensivere Prüfung von Tierversuchen. Kritiker warnen vor den Bürokratie-Folgen.

24.02.2021

Die Anforderungen an Tierversuche zum Schutz der verwendeten Tiere sind in Europa über eine EU-Richtlinie (2010/63/EU) einheitlich geregelt. Deutschland hat diese Richtlinie 2013 über das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Versuchstierverordnung in nationales Recht umgesetzt, nach Ansicht der EU-Kommission jedoch nicht vollständig. Die Bundesregierung arbeitet daher an einem Kabinettsentwurf, um rechtlich nachzurüsten.

Dieser Entwurf enthält Änderungen, die neben den behördlichen Kontrollen vor allem das Genehmigungsverfahren für Tierversuche betreffen. In dem neuen Verfahren müssten die Behörden die Versuche nicht nur auf Plausibilität und Rechtskonformität, sondern auch inhaltlich wissenschaftlich prüfen. Was das für die Forschungslandschaft in Deutschland bedeuten würde, erläutern in der Februar-Ausgabe von "Forschung & Lehre" Professor Klaus Ferdinand Gärditz, Dr. Valeska Stephan und Professorin Brigitte Vollmar.

Demnach würde die Kompetenz der Prüfstellen derart ausgeweitet, dass sie eine tiefgehende Beurteilung des wissenschaftlichen Nutzens der Versuche nach aktuellem Fachwissen abgeben müssten. Das würde jedoch eine Ermächtigung für eigene wissenschaftliche Konzepte darstellen – ein Ausmaß, das nicht mit der Forschungsfreiheit der Antragstellerinnen und Antragsteller vereinbar wäre, schreiben Gärditz und seine Kolleginnen. Den Forschenden stehe die Wahl ihrer Methoden rechtlich frei. Das Tierversuchsrecht dürfe diese Freiheit nur unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit einschränken.

Entgegen der Forschungsfreiheit und mit mehr Aufwand

Urteile vergangener Gerichtsprozesse in Deutschland hätten den Genehmigungsbehörden mit dieser Begründung keinen Spielraum für eigene Beurteilungen von Tierversuchen gewährt. Nach Einschätzung von Gärditz, Stephan und Vollmar könnten Forschende auch nach geändertem Recht künftig vor Gericht die wissenschaftliche Einschätzung der Behörden angreifen und ihre Versuchsansätze durchsetzen. Verfassungskonform sei nur eine behördliche Plausibilitätsprüfung ohne Einmischung in die Methodenwahl der Forschenden.

Kritisch sei die geplante Novelle auch, weil eine erweiterte Prüfung durch die Behörden mehr bürokratische Schritte und dadurch mehr Zeit in Anspruch nehmen würde. Schon jetzt würden in Deutschland die gesetzlich vorgeschriebenen Fristen bei 80 Prozent der Genehmigungsverfahren nicht eingehalten. Die Verzögerungen behinderten die Forschung, mit der Novelle würden sie noch größer. Diejenigen, die über hinreichend Expertise verfügten, um die geplanten behördlichen Prüfungen als externe Berater durchzuführen, würden mit der Novelle zudem zusätzlich von ihrer Forschungsarbeit abgehalten.

Die angestrebten Änderungen des Tierschutzgesetzes in Deutschland würden im Alltag daher dazu führen, dass die Genehmigungsverfahren nicht mehr, sondern weniger im Einklang mit EU-Recht und den darin festgelegten Fristen stünden, so die Autoren. Es drohe eine Blockade der tierexperimentellen Forschung durch Bürokratie. Das sei sowohl ein Wettbewerbsnachteil des Forschungsstandorts Deutschland als auch insgesamt ein Nachteil für die Generierung von Forschungswissen.

ckr