Samenzellen im Anflug auf eine Eizelle, Abbildung
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Fortpflanzung
Einsichten in molekulare Vorgänge bei Befruchtung

Studien liefern neue Details zur Verschmelzung von Eizelle und Spermium. Forschende entdecken unbekannten Protein-Komplex mit Künstlicher Intelligenz.

21.10.2024

Ein dreiteiliger Protein-Komplex und ein Rezeptor-Protein sind beteiligt, damit sich Eizelle und Spermien finden und verschmelzen. Zu dieser Lösung hat das Programm "AlphaFold Multimer", deren Entwickler Dr. Demis Hassabis und Dr. John Jumper vor zwei Wochen mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurden, zwei unabhängig voneinander arbeitende internationale Forschungsteams gebracht. Eine erste Studie schwedischer und britischer Forschender war im April in "eLife" erschienen, die Arbeit des zweiten Teams aus Österreich, Kanada, Japan und Israel folgte vergangene Woche in der Zeitschrift "Cell". Bisher war lediglich für zwei Proteine nachgewiesen worden, dass sie die Befruchtung ermöglichen, jeweils eins an Ei- und Spermazelle.

Berichten der Magazine "Science" und "Nature" zufolge seien die molekularen Abläufe der Vereinigung von Eizelle und Spermium lange ein Geheimnis geblieben: Es sei unklar gewesen, wie die beiden Zellen aneinander hafteten, verschmölzen und ihr genetisches Material teilten. Frühere Studien hätten zwar darauf hingewiesen, dass bei der Fortpflanzung von Wirbeltieren mehrere Proteine bei der Befruchtung der Geschlechtszellen beteiligt seien. Die Proteine, die sich in fettigen Membranen auf ihrer Außenseite befänden, hätten sich allerdings nicht einfach mit den alltäglichen biochemischen Methoden untersuchen lassen, ihre Interaktionen seien schwach und flüchtig, berichtet "Nature".

Wie Eizelle und Spermium zueinanderfinden

Die nun veröffentlichten Studien beschreiben für Zebrafische, Mäuse und Menschen, wie die Zusammenarbeit von mehreren Proteinen erfolge, damit Sperma und Ei aneinander hafteten. Die Forschenden der aktuell erschienenen Studie haben Geschlechtszellen des Zebrafischs untersucht und mit der künstlichen Intelligenz "AlphaFold Multimer" Interaktionen zwischen Eiweißen vorhersagen lassen. Die Analyse habe zunächst Proteine untersucht, die auf der Oberfläche von Spermien zu finden seien und dann vorhergesagt, welche weiteren Proteine mit diesen interagieren könnten. "AlphaFold Multimer" habe dann vielversprechende Kandidaten vorgeschlagen, so die Forschenden in einer Pressemitteilung. Das Programm habe ermittelt, dass drei Proteine zusammen einen Trimer, also ein Molekül aus drei Untereinheiten, bilden, so die Forschenden. 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Andrea Pauli vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien konnten nicht nur zeigen, dass der von der KI vorhergesagte Komplex in der Wirklichkeit existiert, sondern auch, dass das dritte Eiweiß, das bisher nicht mit Fortpflanzung in Verbindung gebracht wurde, sowohl in Zebrafischen als auch bei Mäusen und Menschen essenziell für diese sei. Der Trimer stellt laut den Forschenden einen Andockort für das Rezeptorprotein an der Eizelle dar.

Die Forschung zu Zebrafischen sei ein allgemeines Modell für die Befruchtung bei Wirbeltieren, bei denen auch ein Eiweiß-Komplex an ein Rezeptor-Protein binde, um die Interaktion zwischen Spermium und Eizelle herbeizuführen. Dabei sei der Trimer-Komplex eine Konstante aller Wirbeltiere und hätte sich nicht evolutionär verändert. Dass sich über Millionen von Jahren ein Schlüssel-Schloss-Prinzip zwischen ihm und den Rezeptor-Proteinen gehalten habe, zeige, wie wichtig es ist, so Pauli. Die Forschenden der im April erschienenen Studie haben Proteine von Mäusen und Menschen untersucht und den gleichen Mechanismus gefunden.

Die Studien zeigen, so "Science", welche Möglichkeiten künstliche Intelligenz bereithalte zur Lösung von lange ungeklärten wissenschaftlichen Rätseln, vor allem im Bereich der menschlichen Fortpflanzung, wo die Verwendung menschlicher Zellen unethisch sein könnte. Das Mischen von Ei- und Spermazellen sei stark reglementiert, so dass eine Computermodellierung einen Ersatz darstelle. Möglicherweise können die Ergebnisse der beiden Studien in der Zukunft Menschen mit Zeugungsschwierigkeiten helfen, vermutet "Nature".

cpy