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Peer-Review-Verfahren
Elsevier deckt Fehlverhalten von Gutachtern auf

Der Verlag Elsevier hat Artikel auf irrelevante Literaturverweise untersucht. Er fand mehrere hundert Fälle von "citation pushing" von Gutachtern.

24.09.2019

Der niederländische Wissenschaftsverlag Elsevier hat in seinen Journalen wissenschaftliches Fehlverhalten von hunderten Peer-Reviewern gefunden. Wie zwei Mitarbeiter des Verlags kürzlich veröffentlichten, verdächtigt der Verlag in 433 Fällen Forscher, die Autoren des Artikels zu zusätzlichen Zitaten gedrängt zu haben. Es handele sich um irrelevante Verweise auf Artikel des Gutachters im Gegenzug für dessen Empfehlung des Artikels an das Magazin.

Rund ein Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben der Untersuchung zufolge die gutachterliche Anonymität zu ihrem Vorteil ausgenutzt: Sie schleusten "coercive citations", Zwangszitate, ihrer eigenen Arbeit in fremde Artikel ein. Die Autoren, die im Peer-Review-Verfahren meist nicht erfahren, welche Forscherkollegen ihre Arbeit begutachten, setzen demnach die angemerkten zusätzlichen Literaturangaben meist um – weil es die Annahmechancen des Artikels steigere oder ihnen selbst keinen größeren Schaden bereite. Zwar seien die Forderungen der Gutachter oft subtil als Anmerkungen formuliert, jedoch traue sich kaum ein Autor diesen nicht nachzukommen.

Verdachtsfälle häufig bestätigt

Über eine Million Artikel in Elsevier-Journalen aus den Jahren 2015 bis 2017 und deren rund 500.000 Gutachter wurden analysiert. Abzüglich der Gutachter, die weniger als fünf Artikel begutachtet oder publiziert hatten, untersuchten die Studienautoren rund 55.000 zitierte Wissenschaftler und Wissenschaftler. In der Studie untersuchten sie, wie häufig die von den Gutachtern vorgeschlagenen Verweise Eigenzitate des Reviewers waren. Statistisch verdächtig waren demnach 0,79 Prozent der Gutachter.

Ein häufiger Verweis auf den Gutachter sei nicht immer verwerflich; etwa, wenn es sich um den Begründer eines Forschungsfeldes handele, oder ein Gutachter neben relevanten Eigenzitaten auch eine Vielzahl an relevanten Fremdzitaten gefordert hatte, wie eine Sprecherin des Verlags der "Süddeutschen Zeitung" berichtete. Bislang habe sich das wissenschaftliche Fehlverhalten jedoch in etwa zwei von drei Verdachtsfällen bestätigt.

Der Verlag erwägt laut der Studie verschiedene Konsequenzen für die Forschenden und prüfe deren Effekt auf die Vertrauenswürdigkeit der jeweiligen Studie und die Zitierungsrate der Gutachter.

Die Idee zu der Untersuchung stammt laut der "Süddeutschen Zeitung" von Forschenden der Universität Wageningen. Das "citation pushing" ist in den Niederlanden seit 2018 gemäß den wissenschaftlichen Leitlinien verboten. Die Niederländer hätten mehrere Verlage zu dem Thema kontaktiert, jedoch nur von Elsevier eine Antwort erhalten.

ckr