Das Foto zeigt ein Polarlicht und Sternenhimmel bei der IceCube-Forschungsstation im antarktischen Winter.
Martin Wolf/IceCube/NSF (2017)

Physik
Erstmals Quelle eines Neutrinos im Weltall gefunden

Einem Forscherteam ist eine faszinierende Entdeckung gelungen: Der Nachweis eines Neutrinos aus einer weit entfernten Galaxie.

14.07.2018

Ein Forscherteam hat erstmals eine kosmische Quelle energiereicher Neutrinos geortet. Auslöser der Suche war ein einzelnes hochenergetisches Neutrino, das am 22. September 2017 im Eis der Antarktis durch das Neutrino-Teleskop IceCube nachgewiesen worden war. Teleskope auf der Erde und im Weltraum ermittelten anschließend den Ursprung dieses Elementarteilchens. Das berichtet die Universität Mainz, die seit 1999 dem internationalen "IceCube-Konsortium" angehört.

Der Ursprung des Elementarteilchens liegt laut Bericht in einer drei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie im Sternbild Orion, in der ein gigantisches Schwarzes Loch auf natürliche Weise Teilchen beschleunigt. An der Kampagne waren weltweit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 16 astronomischen Observatorien beteiligt. Die Ergebnisse dieser gemeinsamen Suche wurden aktuell in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Die IceCube-Forscher durchsuchten nach dieser Entdeckung ihre Daten der vergangenen zehn Jahre im Hinblick auf frühere Messungen von Neutrinos aus der festgestellten Richtung. Tatsächlich fanden sie für den Zeitraum von September 2014 bis März 2015 einen merklichen, zeitweiligen Neutrino-Überschuss. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei diesem Überschuss lediglich um einen statistischen Ausreißer handelt, sei sehr gering und werde auf 1 zu 5000 geschätzt.

"Entscheidender Schritt vorwärts"

Die Kampagnen, die unter Federführung von Forschern in Deutschland durchgeführt wurden, liefern laut Bericht auch den ersten stichhaltigen Beleg für einen Herkunftsort der energiereichsten Teilchen im Weltall, vorwiegend Protonen, die als kosmische Strahlung fortwährend auf die Erdatmosphäre treffen. Energiereiche kosmische Neutrinos seien dabei ein äußerst hilfreicher Indikator, da sie über größte Entfernungen ohne Richtungsänderung unbeschadet zu uns gelangen können. Die Beobachtung des einzelnen Neutrinos bestätige, dass sogenannte aktive Galaxien mit einem extrem schweren Schwarzen Loch im Zentrum auch die Beschleuniger der kosmischen Teilchen sind.

Die abgestimmte Beobachtungsaktion gilt der Meldung zufolge als wichtiger Erfolg der noch jungen "Astronomie mit verschiedenen Informationsträgern" wie elektromagnetische Strahlung, Neutrinos und Gravitationswellen, die durch verschiedene Detektoren und Teleskope auf der ganzen Welt und im Weltraum aufgespürt werden. "Dies ist ein entscheidender Schritt vorwärts, der erst durch eine hervorragende Vernetzung und den automatischen Informationsaustausch zwischen den Observatorien möglich wurde", sagt Professor Sebastian Böser vom physikalischen Institut der Universität Mainz.

Das internationale IceCube-Team besteht aus rund 300 Wissenschaftlern aus zwölf Ländern und wird unter der Federführung der US-amerikanischen National Science Foundation betrieben. Deutschland stellt nach den USA das zweitstärkste Kontingent des Teams. Neben Forschern des Deutschen Elektronen-Synchrotons (DESY) sind neun deutsche Universitäten beteiligt: die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, die Humboldt-Universität zu Berlin, die Ruhr-Universität Bochum, die Technische Universität Dortmund, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die Universität Münster, die Technische Universität München und die Bergische Universität Wuppertal.

Neutrinos, die "Geisterteilchen" im Standardmodell der Physik

Neutrinos werden laut Erläuterung der Universität Mainz unter anderem bei der Kernfusion im Innern der Sonne erzeugt. Eine Fläche so groß wie ein menschlicher Daumennagel durchfliegen in jeder Sekunde rund 60 Milliarden Sonnen-Neutrinos, allerdings ohne irgendeine Spur zu hinterlassen. Ihre geringe Reaktionsneigung macht den Nachweis dieser "Geisterteilchen" extrem aufwendig und erfordert gewaltige Detektoren, um wenigstens ein paar der seltenen Reaktionen nachzuweisen. Für den IceCube-Detektor haben Forscher darum 86 Löcher ins Eis der Antarktis gebohrt, jedes 2500 Meter tief. In diese Löcher haben sie, verteilt über einen vollen Kubikkilometer, 5160 Lichtsensoren versenkt. Diese Sensoren registrieren die winzigen Lichtblitze, die bei den seltenen Neutrino-Reaktionen im Eis entstehen.

Ab Herbst 2018 wird der Mainzer Physiker Dr. Benjamin Eberhardt ein Jahr am Südpol verbringen, wo er sich darum kümmern wird, dass das Experiment und die entsprechende Computertechnik des IceCube-Observatoriums fehlerfrei funktionieren.

gri