F&L: Sie sprechen von "keiner konkreten Gefahr" – welche typischen Folgen haben Mutagenesen bei Pflanzen?
Detlef Weigel: Wilde Pflanzen, aber auch einige Nutzpflanzen, produzieren Stoffe, die für Menschen oder Tiere schädlich sind. Ein Beispiel ist das leicht giftige Solanin bei Kartoffeln oder Tomaten. Durch spontane Mutationen könnten durchaus Veränderungen entstehen, die dazu führen, dass der Solaningehalt steigt und Tomaten oder Kartoffeln unbekömmlicher werden. Ein Züchter hätte keinerlei Grund, entsprechende Mutationen durch Genom-Editieren auszulösen. Insofern sind gezielte Mutationen wesentlich ungefährlicher als natürliche, ungezielte Mutationen.
F&L: Warum halten Sie Genom-Editierung für unverzichtbar?
Detlef Weigel: Aufgrund des genannten Aspekts: Durch das Genom-Editieren, die gezielte Mutagenese, kann man die Auswirkungen einzelner genetischer Veränderungen viel schneller und gezielter testen. Bei der konventionellen Züchtung muss man Sorten kreuzen, die sich durch Hunderttausende, oder gar Millionen, von natürlichen Mutationen im Genom unterscheiden, auch wenn man nur ein einziges Gen von einer Sorte in eine andere überführen will. Man muss dann aufwändig durch ständige Rückkreuzung all die ungewollten Mutationen wieder entfernen. Durch Genom-Editieren ist es viel einfacher, nur eine einzige Veränderung im Genom einzuführen, was die Züchtung enorm beschleunigt. Für die ökologische und Evolutionsforschung bietet das Genom-Editieren ebenfalls ein großes Potenzial, weil wir ganz gezielt die Auswirkung einzelner Mutationen auf die Fitness von wilden Pflanzen prüfen können. Meine Arbeitsgruppe interessiert zum Beispiel, wie sich wilde Pflanzen an die Umwelt anpassen. Nehmen wir an, ich habe eine Mutation in einer schwedischen Pflanze gefunden, die das Wachstum dort verbessert. Durch Genom-Editieren kann ich diese Mutation jetzt in viele andere Sorten einfügen, um zu testen, ob der positive Effekt unabhängig vom genetischen Hintergrund ist oder ob er auch von anderen Genen im Genom beeinflusst wird.
F&L: Kartoffelchips sollen weniger schädliches Acrylamid und Weizenprodukte weniger Gluten enthalten, Tomaten auf ein bestimmtes Reifedatum festgelegt werden – was hat das noch mit Natürlichkeit zu tun?
Detlef Weigel: Nichts, denn Züchtung an sich ist nicht natürlich. Das bedeutet zum einen, dass entsprechend veränderte wilde Pflanzen anschließend oft weniger fit in der Natur wären. Zum anderen bedeutet es für uns, dass wir von entsprechenden Veränderungen in Nutzpflanzen häufig Vorteile haben: Die Vorgänger unserer Früchte und Gemüse zeichnen sich oft durch Bitterkeit oder übermäßige Säure aus – ich bin froh, dass die Züchtung diese Eigenschaften entfernt hat.
Züchtung funktioniert nun mal so, dass wir Eigenschaften auswählen, die wir besonders gut finden – unabhängig davon, ob solche Eigenschaften natürlich sind oder nicht. Alle Kulturpflanzen, die wir essen, sind nicht mehr natürlich. Das ist nichts Neues.
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