Europäischer Gerichtshof
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Genom-Editierung
EuGH entscheidet über Genschere Crispr

Mit der Genschere Crispr lässt sich Erbgut sehr präzise verändern. Ist das Gentechnik? Darüber soll bald der Europäische Gerichtshof entscheiden.

05.03.2018

Eine Weizensorte, die gegen die gefürchtete Pilzkrankheit Mehltau resistent ist oder stressresistente Maispflanzen. An der Züchtung solcher und vieler anderer Kulturpflanzen arbeiten derzeit zahlreiche Pflanzenforscher. Viele nutzen dazu ein molekulares Werkzeug, das sich seit einigen Jahren in rasantem Tempo in den Labors rund um die Welt verbreitet: Crispr/Cas9, kurz Crispr. Mit dieser Technik ist es möglich, das Erbgut – und damit die Eigenschaften - von Pflanzen und anderen Lebewesen präziser zu verändern als bisher.

Viele Forscher sehen enormes Potenzial in der Technologie. Gentechnik-Kritiker hingegen fürchten, dass damit eine Vielzahl gentechnisch veränderter Pflanzen geschaffen, schlimmstenfalls unkontrolliert angebaut und letztlich den Verbrauchern unwissentlich untergejubelt werden könnte. Beide Seiten warten derzeit mit Spannung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH), der die entscheidende rechtliche Bewertung von Organismen liefern soll, die mit Crispr und vergleichbaren Techniken erzeugt wurden. Die Entscheidung wird in den kommenden Monaten erwartet.

Die Frage ist: Handelt es sich dabei um gentechnisch veränderte Organismen (GVOs), die unter die strengen Auflagen des europäischen Gentechnikrechts fallen? Sie müssten in diesem Fall unter anderem ein Zulassungsverfahren durchlaufen und gekennzeichnet werden. Oder sind die Crispr-Produkte keine GVOs, weil sie in vielen Fällen von Pflanzen, die natürlich entstanden sind oder mit konventionellen Züchtungsmethoden erzeugt wurden, ohnehin nicht zu unterscheiden sind? In diesem Fall dürften sie ohne spezielle Prüfung und Kennzeichnung in den Verkehr und auf den Markt gebracht werden.

Gentechnik oder nicht? Wissenschaftler kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen

Der Generalanwalt des EuGH, Michal Bobek, legte im Januar dieses Jahres eine Stellungnahme zur rechtlichen Bewertung der Verfahren vor. Darin heißt es unter anderem, dass mit Crispr und vergleichbaren Verfahren erzeugte Organismen nicht als gentechnisch verändert anzusehen sind, solange die vorgenommenen Veränderungen auch auf natürliche Weise entstanden sein könnten.

Zu einem ganz anderen Schluss kommt der Rechtsexperte Ludwig Krämer. Er hat sich im Auftrag von Testbiotech – einem eher gentechnik-kritisch eingestellten Institut – mit der Stellungnahme befasst. Seiner Ansicht nach fallen die neuen Verfahren sehr wohl unter den Geltungsbereich der EU-Freisetzungsrichtlinie, welche die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen regelt. Pflanzen und Tiere, die damit verändert wurden, müssten in einem Zulassungsverfahren auf Risiken untersucht werden.

Ralf Wilhelm, Leiter des Fachinstituts für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen am Julius-Kühn-Institut, hält sich hinsichtlich einer rechtlichen Bewertung der Verfahren bedeckt. Man müsse fallweise entscheiden und die Art der jeweiligen Veränderung berücksichtigen. "Das ist ein Werkzeug, eine Methodik, die in vielen Zusammenhängen einsetzbar ist." Vor allem wenn fremde Gene eingefügt würden, bedürfe es nach dem Gentechnikrecht einer umfassenden Sicherheitsprüfung der resultierenden Produkte.

Nach Ansicht von Christoph Then von Testbiotech unterscheiden sich Crispr-Pflanzen sehr wohl von ihren natürlichen Vorgängern. Mit Crispr könnten etwa Regionen im Erbgut verändert werden, die natürlicherweise vor Mutationen besonders gut geschützt seien. "Das kann zu biologischen Reaktionen führen, die man bisher noch nicht beobachtet hat und die ungewollt die Nahrungsmittelqualität oder die ökologische Qualität der Pflanzen beeinflussen."

dpa