Finanzierung
Förderatlas 2024 weist erhöhten Drittmittel-Anteil auf
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat am 25. November 2024 in Berlin den neuen "Förderatlas 2024" mit dem Ergebnis einer deutlichen Steigerung des Drittmittelanteils an der Hochschulfinanzierung präsentiert. Die Präsidentin der DFG, Professorin Dr. Katja Becker, bewertet diesen Anstieg als bedenklich.
Der Bericht deckt den dreijährigen Zeitraum 2020 bis einschließlich 2022 ab und liefert detaillierte Einblicke in Grund- und Drittmittel sowie deren Entwicklung.
Hochschulen zunehmend abhängig von Drittmitteln
Becker mahnte in einer Mitteilung der DFG, dass die steigenden Finanzierungsbedarfe der Hochschulen nicht ausreichend gedeckt seien, und verwies auf die Belastungen durch Tarifsteigerungen und internationale Konkurrenz. Die staatlichen Grundmittel sind laut Förderatlas seit 2019 um rund 13 Prozent auf knapp 27 Milliarden gestiegen, die Drittmittel um 19 Prozent auf mehr als 10 Milliarden.
Dabei sei der Bund mit rund 31 Prozent erstmals größter Drittmittelgeber, während der Anteil der DFG von rund 32 Prozent auf circa 30 Prozent gesunken sei und die Wirtschaft sich nur noch mit knapp 15 Prozent (2019: 17,4 Prozent) an der Hochschulfinanzierung beteiligt habe. Die Drittmittelquote sei damit von etwa 27 Prozent auf 28 Prozent angestiegen. Dies weise auf eine erhöhte Abhängigkeit der Hochschulen von projektgebundener Finanzierung hin.
"Wirtschaft und Industrie sind für den Transfer von Forschungsergebnissen aus der erkenntnisgeleiteten Forschung in die Anwendung von zentraler Bedeutung und profitieren zugleich selbst in hohem Maße davon. Vor diesem Hintergrund ist der über lange Zeit kontinuierliche Rückgang der Drittmitteleinnahmen aus der Wirtschaft eine sehr bedenkliche Entwicklung", kommentierte Becker.
Bewilligungsstärkste Hochschulen: neue Erfolge in Berlin und Bonn
Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München bleibt dem Bericht zufolge mit 335 Millionen Euro an DFG-Drittmitteln Spitzenreiter unter den deutschen Hochschulen. Auf Platz zwei folge die Technische Universität (TU) München, die mit 333 Millionen Euro knapp dahinter liege. Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen belege mit 325 Millionen Euro den dritten Rang und habe die Position mit der Universität Heidelberg getauscht, die im aktuellen Berichtszeitraum 308 Millionen Euro erhalten habe und somit auf Platz vier liege.
Neu auf dem fünften Platz sei die Freie Universität Berlin (FU Berlin), die Fördermittel in Höhe von 270 Millionen Euro habe einwerben können. Ein bemerkenswerter Aufstieg sei der Universität Bonn gelungen: Mit 294 Millionen Euro sei sie von Platz 15 im vorherigen Bericht auf den sechsten Rang aufgestiegen. Die Universität Erlangen-Nürnberg habe sich ebenfalls deutlich verbessert und liege nun mit 289 Millionen Euro auf Platz sieben, drei Plätze höher als zuvor.
Die Universitäten Freiburg (288 Millionen Euro), Tübingen (286 Millionen Euro) und Hamburg (271 Millionen Euro) vervollständigten die Top 10. Die Universität Hamburg sei von Platz 13 auf Platz zehn aufgestiegen und zeige damit eine kontinuierliche Steigerung ihrer Drittmitteleinnahmen.
Von den insgesamt 229 förderfähigen Hochschulen seien 100 Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs). Spitzenplätze in diesem Bereich belegten die Hochschulen Aalen, München und Furtwangen. Insgesamt hätten die HAWs etwa 0,7 Prozent der gesamten DFG-Bewilligungen erhalten. DFG-Präsidentin Katja Becker betonte, dass die neuen Maßnahmen zur Förderung erkenntnisorientierter Forschung an HAWs und Fachhochschulen Früchte tragen: "Durch diese Maßnahmen wurde das politisch gesetzte 1-Prozent-Ziel inzwischen erreicht."
Auf die am stärksten geförderten Hochschulen entfielen im jüngsten Berichtszeitraum prozentual weniger DFG-Drittmittel als vor 30 Jahren.
Fördermittelverteilung nach Wissenschaftsbereichen
In den einzelnen Wissenschaftsbereichen konnten sich laut Förderatlas unterschiedliche Hochschulen durch besonders hohe Fördersummen auszeichnen:
- Geistes- und Sozialwissenschaften: Hier stünden die FU Berlin und die Humboldt-Universität zu Berlin mit den höchsten Fördersummen an der Spitze, gefolgt von der Universität Tübingen, der Universität Hamburg und der LMU München.
- Lebenswissenschaften: Die LMU führe mit deutlichem Vorsprung vor den Universitäten Freiburg und Heidelberg sowie der TU München und der Universität Göttingen.
- Naturwissenschaften: In diesem Bereich dominierten die Universität Heidelberg, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die TU München, die Universität Mainz und die LMU.
- Ingenieurwissenschaften: Die RWTH Aachen habe die meisten Drittmittel einwerben können, gefolgt von der Universität Stuttgart, der TU Dresden, der Universität Erlangen-Nürnberg und dem KIT.
Drittmittel nach Bundesländern: NRW auf Top 1
Die Fördermittelverteilung nach Bundesländern zeige ein konstantes Bild an der Spitze. Nordrhein-Westfalen habe mit 2,13 Milliarden Euro die meisten DFG-Mittel erhalten und verteidige damit seine Führungsposition. Baden-Württemberg folge mit 1,69 Milliarden Euro und Bayern mit 1,57 Milliarden Euro. Diese drei Bundesländer vereinen den Großteil der Drittmittel und unterstreichen ihre Rolle als führende Forschungsstandorte in Deutschland, so der DFG-Förderatlas.
Berlin hat sich mit 922 Millionen Euro den vierten Platz gesichert, dicht gefolgt von Niedersachsen mit 899 Millionen Euro, berichtet die DFG. Hessen (676 Millionen Euro) und Sachsen (616 Millionen Euro) schließen demnach die Liste der sechs stärksten Länder ab. Unter den kleineren Ländern würden Hamburg (365 Millionen Euro), Rheinland-Pfalz (336 Millionen Euro) und Thüringen (252 Millionen Euro) auffallen. Schleswig-Holstein (244 Millionen Euro), Sachsen-Anhalt (170 Millionen Euro), Bremen (163 Millionen Euro) sowie Brandenburg (156 Millionen Euro) reihten sich dahinter ein. Die letzten Plätze belegten Mecklenburg-Vorpommern (109 Millionen Euro) und das Saarland (90 Millionen Euro).
Internationale Zusammenarbeit: Spitzenposition Deutschlands
Die deutsche Forschungslandschaft konnte laut Förderatlas ihre starke internationale Position in verschiedenen Bereichen bestätigen. Ein herausragendes Beispiel sei die Teilnahme am EU-Rahmenprogramm "Horizon Europe". Mit über 4 Milliarden Euro an Fördergeldern in den Jahren 2021 und 2022 hätten deutsche Hochschulen an der Spitze aller europäischen Länder gestanden. Zum Vergleich: Forschende aus Frankreich hätten in diesem Zeitraum 2,8 Milliarden Euro, spanische Projekte 2,7 Milliarden Euro erhalten.
Auch bei Förderungen durch den Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) hätten deutsche Institutionen mit 515 geförderten Projekten als Spitzenreiter vor Frankreich (308 Projekte) und den Niederlanden (254 Projekte) gelegen. Deutsche Forschende sind stark mit internationalen Kolleginnen und Kollegen vernetzt, was der hohe Anteil internationaler Kooperationen in DFG-Förderanträgen zeige. Rund 20 Prozent aller beantragten Projekte planen internationale Zusammenarbeit. Ebenso bemerkenswert sei der Anteil von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Graduiertenkollegs, Sonderforschungsbereichen und Exzellenzclustern, die zuvor im Ausland tätig gewesen und anschließend nach Deutschland gekommen seien. Auch hier liege der Anteil bei etwa 20 Prozent.
Die Entwicklungen internationaler Wissenschaftskooperationen stünden jedoch zunehmend unter dem Einfluss politischer und globaler Herausforderungen. Der Brexit habe beispielsweise dazu geführt, dass Großbritannien zunächst vollständig aus der EU-Forschungsförderung herausgefallen sei. Aufgrund der strikten Covid-19-Abschottungspolitik Chinas sei die Zahl der geplanten deutsch-chinesischen Kooperationen in DFG-Projekten deutlich zurückgegangen. Ein drastischer Einschnitt habe sich durch den russischen Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 ergeben: DFG-Kooperationsstopps hätten sämtliche geplanten deutsch-russischen Projekte zum Erliegen gebracht.
cva