Eine junge Wissenschaftlerin steht einem menschlichen KI-Modell gegenüber.
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Weltweite KI-Studie
Forschende sehen Potential bei KI für Erkenntnisgewinn

Elsevier stellt eine weltweite Analyse zu KI in der Forschung und im Klinikbereich vor. KI-Tools werden international unterschiedlich begrüßt.

12.07.2024

Der aktuelle Report "Einblicke 2024: Einstellungen zu KI" ("Insights 2024: Attitudes toward AI") des Wissenschaftsverlags Elsevier legt ein enorm hohes, weltweites Interesse am Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Forschungsarbeit und im klinischen Bereich offen. 

Insgesamt sind dem Report zufolge das Bewusstsein und das optimistische Interesse für KI hoch, aber die regelmäßige Nutzung ist noch gering, unter anderem weil die zuständigen Institutionen die notwendigen Nutzungsregelungen noch nicht konkretisiert haben. Es würden zudem konkrete Maßnahmen ersichtlich, die das Vertrauen in Künstliche Intelligenz und den Nutzungs-Komfort stärken könnten. 

Wie und wofür wird KI derzeit weltweit genutzt? 

Forschende und medizinisches Personal seien sich der KI-Technologie bewusst, aber nur wenige nutzten sie intensiv. Über die Hälfte derjenigen, die von KI wissen, hätten sie schon verwendet, und etwa ein Drittel habe KI für arbeitsbezogene Zwecke eingesetzt, besonders in den USA (30 Prozent) und in China (39 Prozent). Am bekanntesten sei ChatGPT, womit rund 90 Prozent der Befragten vertraut seien – bei deutlicher Sonderstellung Südamerikas (75 Prozent). Das nächstbekannteste Tool auf Basis generativer KI sei Bard gefolgt von Bing Chat, Gemini und MS Copilot. Hauptgründe für die geringe Nutzung seien laut Report der Mangel an Zeit, um sich mit der Technologie zu beschäftigen, institutionelle Restriktionen sowie der fehlende Zugang zu geeigneten Tools. 

Demografische Faktoren scheinen einen Einfluss auf die Vertrautheit mit KI zu haben. Je länger eine Person in ihrem Arbeitsbereich tätig sei, desto größer sei auch der Anteil derjenigen, die sich in Bezug auf KI unsicher fühlten. Gut die Hälfte der Befragten hätten gemischte Gefühle gegenüber KI geäußert, wobei Forschende tendenziell der Technologie positiver gegenüber ständen (41 Prozent) als klinisches Personal (32 Prozent), Männer mehr (45 Prozent) als Frauen (27 Prozent). Hier zeigten sich auch deutliche regionale Unterschiede: Die Menschen in Asien seien deutlich positiver eingestellt als im Westen. 

"Es ist wichtig, diese Technologien weiterzuentwickeln und zu regulieren, um den größtmöglichen Nutzen daraus zu ziehen." 
Umfrageteilnehmer, Forscher, Kanada 

Am häufigsten werde KI derzeit zur Analyse von Forschungsergebnissen (66 Prozent) und zur Verarbeitung großer Datensätze zur Erkennung von Mängeln (49 Prozent) eingesetzt. Darauf folgten die Unterstützung bei der Durchführung von Forschungsarbeiten, die Verbesserung von Bildern und die Generierung von Hypothesen als Einsatzgebiete. Die Befragten hätten angegeben, dass 11 Prozent ihrer klinischen Entscheidungen zudem inzwischen von generativer KI unterstützt würden. 

KI in Forschung und medizinischen Berufen als Zukunftsszenario 

Fast alle Befragten glauben laut Report, dass KI dabei helfen wird, das Erzeugen wissenschaftlicher Erkenntnisse zu beschleunigen und das Forschungsvolumen zu erhohen – wobei 85 Prozent ethische Bedenken gegenüber der Verwendung von KI in ihrem Arbeitsbereich äußern. 71 Prozent äußerten die Erwartung, dass generative KI nur auf qualitativ hochwertigen, vertrauenswürdigen Quellen basieren sollten. 

Die Mehrheit der befragten Forschenden und klinisch Arbeitenden sind laut Elsevier davon überzeugt, dass KI bei der Nutzung wissenschaftlicher Inhalte unterstützen kann (95 Prozent) und die Zusammenarbeit verbessern wird (79 Prozent). Als weitere Vorteile eines wachsenden Einsatzes würden erhöhte Arbeitseffizienz, Kosteneinsparungen und erhöhte Arbeitsqualität gesehen. Zudem würden von fast allen Teilnehmenden Vorteile in der Bildung durch den Einsatz in Lehr- und Vorlesungstätigkeiten angekommen. 

Zwei Fünftel der Befragten, die Bedenken haben, nennen den Mangel an Regulierung und Governance als einen der drei größten Nachteile von KI. Generell fehle es generativer KI an Kreativität, Urteilskraft und Empathie – Voreingenommenheit, Ergebnisverzerrungen, Intransparenz und Diskriminierungen seien weitere Probleme. 81 Prozent glaubten, dass KI das kritische Denken in gewissem Maße untergraben werde. 

"Diese Tools basieren noch nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, liefern keine Referenzen und sind noch nicht zuverlässig." 
Umfrageteilnehmer, Arzt, Brasilien 

Der Einsatz von KI im Publikationsprozess und Förderwesen werde noch eher skeptisch gesehen. 59 Prozent würden die Meinung vertreten, eine KI sei nicht zu einer qualitativ hochwertigen Review in der Lage. Sehr viele (93 Prozent) könnten sich jedoch den Einsatz im Rahmen der Erstellung und Überprüfung vorstellen. 

"KI kann einem ausgebildeten Arzt die Möglichkeit geben, eine umfassendere Differentialdiagnose und einen umfassenderen Behandlungsplan in Betracht zu ziehen." 
Arzt, UK 

Bei klinischen Aktivitäten sehen die Befragten KI-Einsatzmöglichkeiten beispielsweise bei der Vorhersage des Verlaufs der Alzheimer Krankheit, der Überwachung des Verlaufs der Parkinson-Krankheit, der Untersuchung von CT-Scans und Röntgenaufnahmen, der Diagnose und Entwicklung personalisierter Medikamentenpläne für Krebspatientinnen und Krebspatienten sowie der Verbesserung der Wirksamkeit der psychischen Gesundheitsversorgung.

Fazit des Reports 

KI verändert die Arbeitswelt schneller als erwartet. McKinsey prognostiziert laut Elsevier, dass zwischen 2040 und 2060 die Hälfte der heutigen Arbeitsaktivitäten automatisiert sein wird. Besonders in Forschung und Entwicklung sowie im Gesundheitswesen werde KI transformative Effekte haben bezüglich Forschungsproduktivität sowie Prozessverkürzung, woraus ein Mehr an Zeit für strategisches Arbeiten, Kreativität und kritisches Denken resultieren könnte. Herausfordernd seien unter anderem bestehende Vorbehalte, technische Risiken sowie die erforderlichen Investitionen in Infrastruktur und Schulung der Belegschaft.

KI-Anwendung im Studium 

Laut der aktuellen Umfrage zur KI-Anwendung im Studium des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) während des Wintersemesters 2023/24 unter 34.000 Studierenden wurde deutlich, dass Studierende KI fächerübergreifend, aber je nach Studienrichtung unterschiedlich häufig nutzen. Insbesondere Informatik-Studierende nutzten diese Werkzeuge bereits regelmäßig. 

Der Kompetenzerwerb über Hochschulangebote sei noch deutlich ausbaufähig, ein Transfer der KI-Expertise aus der Informatik in andere Fächer eine notwendige Maßnahme. Unsere Daten zeigen auch, dass bei den Studierenden ein Problembewusstsein für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und das Wissen um Stärken und Schwächen von KI vorhanden ist“, sagt CHE-Studienprojektleiter Marc Hüsch.

cva