Notizen, die Einstein bei der Entwicklung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie erstellt hat.
picture alliance / Cover Images | Christie's/Cover Images

Astronomie
Forschende überprüfen Einstein

Über ein Jahrhundert nach der Veröffentlichung von Einsteins Relativitätstheorie suchen Forschende nach ihren Grenzen. Doch die Theorie hält Stand.

21.12.2021

Ein Team von Forschenden aus zehn Ländern hat in einem 16 Jahre dauernden Experiment Einsteins allgemeine Relativitätstheorie überprüft. Die Gruppe unter der Leitung von Professor Michael Kramer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn untersuchte ein besonderes Sternpaar, zwei sogenannte Pulsare, die einander in einem Doppelsternsystem umkreisen. An den Messungen waren weltweit sieben Radioteleskope beteiligt. Dabei traten neue Effekte zutage, die zwar erwartet, nun aber zum ersten Mal beobachtet werden konnten, wie die Max-Planck-Gesellschaft mitteilte. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie stimme mit den Beobachtungen zu mehr als 99,99 Prozent überein.

Durch die Pulsare, die eine sehr hohe Dichte haben, konnten Einsteins Vorhersagen in Anwesenheit sehr starker Gravitationsfelder getestet werden. Zu diesen Vorhersagen gehöre die Energieabstrahlung von Gravitationswellen, die im Experiment mit einer tausendfach höheren Genauigkeit gemessen werden konnte, als es derzeit mit Detektoren auf der Erde möglich sei. Die Beobachtungen stimmten nicht nur mit der Theorie überein, sondern zeigten auch Effekte, die vorher nicht zugänglich waren, etwa die Ausbreitung von Radiophotonen von einem Pulsar im Gravitationsfeld des Begleitpulsars: Die Forschenden beobachteten, dass das Licht aufgrund einer starken Krümmung der Raumzeit um den Begleiter verzögert (Shapiro-Verzögerung) und zugleich um den Winkel von 0,04 Grad abgelenkt wurde.

Pulsare als kosmisches Labor

Das Sternenpaar, das unter dem Namen "Doppelpulsar" bekannt ist, hatten Forschenden im Jahr 2003 entdeckt. Es bestehe aus zwei ausgebrannten Sternleichen mit extrem hoher Dichte, die rasch um ihre Achse rotierten und dabei Radiostrahlung aussendeten. Überstreiche der Strahlungskegel eines solchen Neutronensterns die Erde, scheine er zu blinken wie ein kosmischer Leuchtturm und seine Strahlung gleichsam zu "pulsieren". Daher die Bezeichnung Pulsar.

Die kreisende Bewegung der Pulsare umeinander lasse sich als nahezu perfektes Labor zur Untersuchung von Gravitationstheorien in extremer Umgebung nutzen, berichten die Forschenden. Insgesamt sieben Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie ließen sich demnach so testen, etwa der Effekt der sogenannten Zeitdilatation, der die Uhren in Gravitationsfeldern langsamer gehen lässt.

Bei den Messungen kam zum ersten Mal eine Technik namens Pulsar-Timing zum Einsatz, um durch die präzise Nachverfolgung der Umdrehung eines Neutronensterns valide Aussagen über seine Größe ableiten zu können. Das Verfahren des Pulsar-Timings sei mit interferometrischen Messungen des Pulsarsystems kombiniert worden, um seine Entfernung mit hochauflösender Bildgebung zu bestimmen. Das Ergebnis betrage 2.400 Lichtjahre, mit einem Fehler von nur acht Prozent.

Die Kombination verschiedener, sich ergänzender Beobachtungstechniken mache den Wert des Experiments aus, das in der Zeitschrift "Physical Review" veröffentlich wurde. In den Worten von Kramer haben die Forschenden einen "beispiellosen Grad an Präzision erreicht". So sei es eines Tages vielleicht wirklich möglich, eine Abweichung von der allgemeinen Relativitätstheorie zu finden. Forschende weltweit suchen nach Grenzen von Einsteins Theorie, da eine Abweichung von ihren Vorhersagen die Physik und unser derzeitiges theoretisches Verständnis des Universums revolutionieren würde.

cpy