Das Foto zeigt Polizisten und im Hintergrund Demonstranten der Pegida-Bewegung.
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Autoritarismus-Studie
Jeder dritte Deutsche fremdenfeindlich

Leipziger Forscher haben Deutsche nach ihren Einstellungen zu Ausländern und Autoritäten befragt. Die Ergebnisse geben zu denken.

07.11.2018

Die Ausländerfeindlichkeit hat in Deutschland erneut zugenommen. Einzelnen ausländerfeindlichen Aussagen, wonach beispielsweise Ausländer den deutschen Sozialstaat ausnutzen oder die Bundesrepublik überfremden, stimmt im Osten fast jeder Zweite zu. Auch im Westen teilt knapp jeder Dritte diese Positionen. Das sind laut Mitteilung der Universität Leipzig zentrale Ergebnisse der repräsentativen "Leipziger Autoritarismus-Studie".

Insgesamt stimmen der Studie zufolge 36 Prozent der Deutschen der Aussage zu, dass Ausländer nur hierherkommen, um den Sozialstaat auszunutzen (Ost: 47,1 Prozent, West: 32,7 Prozent). Über ein Viertel würde Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken, wenn in Deutschland die Arbeitsplätze knapp werden (Ost: 32,4, West: 25). Rund 36 Prozent hielten die Bundesrepublik durch Ausländer in einem gefährlichen Maß für "überfremdet" (Ost: 44,6, West: 33,3). Im Vergleich zur letzten Erhebung im Jahr 2016 sei "die geschlossene manifeste Ausländerfeindlichkeit", also der konsequenten Zustimmung aller Aussagen, angestiegen (2016: 20,4, 2018: 24,1). Besonders deutlich sei der Zuwachs in Ostdeutschland von 22,7 auf 30,9 Prozent.

"Autoritarismus" als Schlüsselfaktor für rechtsextreme Einstellungen

Die aktuelle Studie zeigt dem Bericht zufolge außerdem, dass der Antisemitismus weit verbreitet ist. Jeder Zehnte finde ausdrücklich, dass "Juden etwas Besonderes an sich haben und nicht so recht zu uns passen", zusätzlich stimmen dieser Aussage 20 Prozent latent zu. In Westdeutschland gingen antisemitische Ansichten weiter zurück (2016: 5, 2018: 4,2). In Ostdeutschland steigen die Werte dagegen leicht an (2016: 4,1, 2018: 5,2). "Dennoch stimmen bis zu einem Drittel der Befragten antisemitischen Aussagen zumindest teilweise zu. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich antisemitische Denkmuster nach wie vor in gefährlichen Größenordnungen bewegen", sagen die Autoren der Studie. Zugleich sei die Abwertung von Gruppen angestiegen, die als "fremd" oder "abweichend" wahrgenommen werden: Die Aggression gegen Sinti und Roma, Asylbewerber und Muslime nehme "kontinuierlich" zu. Fühlten sich zum Beispiel noch 2010 rund 33 Prozent der Befragten durch die vielen Muslime als Fremde im eigenen Land, seien es 2018 in Ost wie West 55 Prozent. Aus dem Blick gerate häufig auch die massive Abwertung von Sinti und Roma: 60 Prozent der Deutschen stimmten der Aussage zu, dass Sinti und Roma zur Kriminalität neigen. Im Osten finde diese Position bei fast 70 Prozent Zustimmung.

Für die Autoren der Studie zählt Autoritarismus als Persönlichkeitseigenschaft zu einer der Hauptursachen für rechtsextreme Einstellungen. Menschen mit autoritärem Charakter neigten demnach zu "rigiden Ideologien", die es gestatteten, sich gleichzeitig einer Autorität zu unterwerfen, an ihrer Macht teilzuhaben und die Abwertung anderer im Namen dieser Ordnung zu fordern. Rund 40 Prozent der Deutschen zeigten Merkmale eines autoritären Typus, nur 30 Prozent seien dagegen ausdrücklich demokratisch orientiert. Autoritäre Aggressionen sind laut Studie bei 65 Prozent der Deutschen tiefgreifend ausgeprägt. Die Bereitschaft, sich Autoritäten unterzuordnen, sei in Ostdeutschland größer. Knapp 40 Prozent der Ostdeutschen wollten wichtige Entscheidungen Führungspersonen überlassen, im Westen seien es 21 Prozent.

Zufriedenheit mit Demokratie gestiegen

Die Zufriedenheit mit der Demokratie ist laut der Studie vor allem im Osten gestiegen, von 27,3 im Jahr 2006 auf 46,9 Prozent heute angestiegen. Zu denken gibt den Autoren, dass mit der tatsächlichen Praxis der Demokratie nur etwa die Hälfte der Befragten zufrieden seien. Zudem werde die offene Gesellschaft, in der alle Gruppen die gleichen Rechte hätten, von 47 Prozent in Frage gestellt.

Seit 2002 beobachten Wissenschaftler der Universität Leipzig die Entwicklung autoritärer und rechtsextremer Einstellungen in Deutschland. Die aktuelle Studie wurde in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung und der Otto Brenner Stiftung erstellt.

gri