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Ethnien in Medizin und Biologie
Journal publiziert nur Studien mit Angaben zur "Rasse"

Das New England Journal of Medicine nimmt nur noch Studien an, die die ethnische Zugehörigkeit der Probanden erfassen. Der Plan hat einen Haken.

23.09.2021

Medizinische Publikationen sollen nach Ansicht des New England Journal of Medicine (NEJM) detaillierte Daten zu den Probanden enthalten. Daher will das renommierte Fachmagazin ab 2022 nur noch Forschungsergebnisse veröffentlichen, die Informationen über Geschlecht, Alter und geografische Herkunft sowie Rasse oder ethnische Zugehörigkeit der Studienteilnehmenden enthalten, kündigte das Editorial Board des NEJM vergangene Woche an. Das soll Medizinern erleichtern, zu beurteilen, wie respräsentativ die Forschungsergebnisse für ihre Patienten sind.

Als Begründung nannte das Journal, dass bestimmte Erkrankungen nachweislich unterschiedlich häufig in verschiedenen Bevölkerungsgruppen auftreten. Klinische Studien sollten daher auf Vielfalt und eine angemessene Repräsentation aller Ethnien achten, um belegbare Schlüsse für deren Behandlung daraus zu ziehen. Auch Forschungsförderer müssten eine angemessene Repräsentation verlangen. Dafür müssten Menschen in den Studien in entsprechende Gruppen unterteilt werden.

Die Entscheidung des Journals widerspricht der einschlägigen Position der Biologie, die Menschen nicht mehr in Rassen unterteilt, weil sich so bezeichnete Menschengruppen nicht eindeutig nach biologischen Merkmalen trennen lassen. Vielmehr gelten in der empirischen Wissenschaft Rassen heute als soziales Konstrukt zur Legitimation von Rassismus und Ausbeutung.

Auf Einladung des NEJM haben zwei Tage nach deren Entscheidung fünf Fachleute verschiedener US-amerikanischer Forschungseinrichtungen in einer virtuellen Diskussionsrunde über die Frage nach der Rolle von "Rasse" in der Genetik und Medizin gesprochen. Eine gemeinsame Antwort oder klare Position für oder gegen die Einteilung in Rassen fanden sie nicht, machten jedoch darauf aufmerksam, dass die genetische Abstammung sich erheblich von der subjektiven Identifikation mit einer Ethnie – anhand des Aussehens oder kulturellen Umgebung – unterscheide. Die biomedizinische Forschung dürfe diese nicht vermischen. Welche Kategorie in Studien anstelle der Rasse zur Identifikation von medizinischen Unterschieden anzuwenden sei, blieb offen.

Was sagt die ethno-geografische Herkunft aus?

Während in den USA der Begriff "racial identity" nach wie vor weit verbreitet ist, ist er im deutschen Sprachgebrauch heute undenkbar. Professor Peter M. Schneider, Leiter der Forensischen Molekulargenetik am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Köln, hält das Vorgehen des Journals dennoch für klug, auch für klinische Studien in Europa. "Das Vorhaben, die ethnische Zugehörigkeit ('race / ethnicity') von Teilnehmern an klinischen Studien zu erfassen, ist sehr sinnvoll und kann dazu beitragen, bessere und spezifischere Therapien für Erkrankungen zu entwickeln", erklärte er gegenüber "Forschung & Lehre". "In der Vergangenheit waren Angehörige nicht-europäischer Ethnien in derartigen Studien nicht adäquat oder sogar falsch repräsentiert, so dass die Ergebnisse der Studien keine ausreichende Grundlage für die Entwicklung von geeigneten Therapien waren."

Schneider zufolge gibt es gesicherte Erkenntnisse, dass die ethnische Zugehörigkeit einen relevanten Einfluss auf das Risiko für eine Reihe von Erkrankungen besitzt. "Dabei muss allerdings unbedingt berücksichtigt werden, dass nach US-amerikanischem Verständnis die 'Rassenzugehörigkeit' ('racial identity / ethnicity') das Selbstverständnis der fraglichen Person widerspiegelt und somit die letztendlich ausschlaggebenden genetischen Faktoren, die einen Einfluss auf das Krankheitsrisiko haben, nicht mit letzter Sicherheit erfasst werden können", betont Schneider. Dennoch sei die Erhebung der ethno-geografischen Herkunft der Probanden, wie sie das NEJM über Daten von Wohnort und die Rassenzugehörigkeit fordert, ein wichtiger Schritt zur Etablierung repräsentativer klinischer Daten für alle Gruppen der Bevölkerung.

ckr