Ein Forschungsteam in einem Labor schaut sich bunte Grafiken auf einem Computer an.
Andreas Heddergott/TUM

Bio-Technologie
KI-Software AlphaFold2 erneuert Proteinsynthese

Proteine lassen sich mit dem Nobelpreis-prämierten AlphaFold2 besser entwerfen. Auch in der Synthese ist die KI laut aktueller Forschung hilfreich.

25.11.2024

Ein internationales Forschungsteam hat eine Methode entwickelt, mit der sich große neue Proteine am Computer besser als bisher entwerfen und im Labor mit den gewünschten Eigenschaften herstellen lassen. Sie nutzen dafür laut einer Meldung der Technischen Universität München (TUM) unter anderem die Fähigkeiten der KI-basierten Software AlphaFold2, deren Einsatz in der Forschung kürzlich mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. 

Das Team unter Leitung von Hendrik Dietz, Professor für Biomolekulare Nanotechnologie an der TUM, und von Sergey Ovchinnikov, Professor für Biologie am Massachusetts Institute of Technology (MIT), hat ein neuartiges Verfahren entwickelt. Damit lässt sich die Strukturvorhersage von AlphaFold2 zusammen mit einem sogenannten Gradient-Descent-Modelloptimierungs-Ansatz für effizientes Proteindesign nutzen. Die Forschungsergebnisse wurden unter dem Titel "Scalable protein design using optimization in a relaxed sequence space" im Fachjournal Science veröffentlicht. 

In einem schrittweisen Prozess kann man mit dem Gradient-Descent-Ansatz durch eine Art Optimierungsalgorithmus Abweichungen zur gewünschten Zielfunktion erkennen und die Parameter immer weiter bis zum gewünschten Ergebnis optimieren. Im Proteindesign könne Gradient Descent dabei helfen, die durch AlphaFold2 vorhergesagte Proteinstruktur neuer Proteine mit der gewünschten Proteinstruktur abzugleichen. So könnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre neu entworfene Aminosäurenkette und die daraus entstehende Struktur immer weiter optimieren. Letztere bestimmt maßgeblich die Stabilität und Funktion des Proteins und hängt von feinen energetischen Wechselwirkungen ab. 

Grenzen des physikalisch Möglichen im Design außen vor lassen 

Mit dem neuen Verfahren würden sich große neue Proteine besser als bisher designen und mit den gewünschten Eigenschaften versehen lassen, zum Beispiel um passgenau an andere Proteine zu binden. Ihr Designprozess unterscheidet sich von bisherigen Vorgehensweisen. 

"Wir haben den Prozess für neue Proteine so gestaltet, dass wir zunächst die Grenzen des physikalisch Möglichen außen vor lassen. Üblicherweise geht man an jeder Stelle der Aminosäurenkette von nur einem der 20 möglichen Bausteine aus. Wir nutzen stattdessen eine Variante, bei der alle Möglichkeiten virtuell überlagert sind", sagt Christopher Frank, Doktorand am Lehrstuhl für Biomolekulare Nanotechnologie und Erstautor der Studie.

Diese virtuelle Überlagerung lasse sich so nicht direkt in ein tatsächlich produzierbares Protein umsetzen. Aber sie ermögliche es, das Protein virtuell immer weiter zu optimieren. "Über mehrere Wiederholungen hinweg verbessern wir die Anordnung der Aminosäuren, bis das neue Protein sehr nah an der Struktur dran ist, die wir gerne hätten", sagt Frank. Aus dieser optimierten Struktur werde dann die Abfolge von Aminosäuren ermittelt, die sich auch tatsächlich im Labor umsetzen lasse. 

Test: Wie schneiden die Vorhersagen in der Umsetzung ab? 

Die entscheidende Probe für alle neu entworfenen Proteine: Entspricht die tatsächliche Struktur auch dem erdachten Konstrukt und der gewünschten Funktion? Das Team hat mit der neuen Methode über 100 Proteine nicht nur virtuell entworfen, sondern auch im Labor hergestellt und experimentell überprüft. "Wir konnten beweisen, dass unsere designten Strukturen der echten Umsetzung sehr genau entsprechen", sagt der Nanotechnologe Frank. 

"Wir konnten beweisen, dass unsere designten Strukturen der echten Umsetzung sehr genau entsprechen."
Christopher Frank, Doktorand am Lehrstuhl für Biomolekulare Nanotechnologie

Mit ihrer neuen Methode hätten sie Proteine aus bis zu 1.000 Aminosäuren herstellen können. "Wir nähern uns damit der Größe von Antikörpern an und können – wie bei Antikörpern auch – dann mehrere gewünschte Funktionen in ein solches Protein integrieren", erläutert Dietz. "Das könnten beispielsweise Motive zur Erkennung und Unterdrückung von Krankheitserregern sein."

KI in der Proteinsynthese 

Ob als Bausteine, Transportsysteme, Enzyme oder Antikörper: Proteine spielen eine lebenswichtige Rolle in unserem Körper. Forschende versuchen sie nachzubauen oder sogenannte De-novo-Proteine zu entwerfen, die in der Natur gar nicht vorkommen. Solche künstlichen Proteine sollen zum Beispiel bestimmte Viren binden oder Wirkstoffe transportieren. Um sie zu entwickeln, nutzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunehmend maschinelles Lernen.

cva