Das Bild zeigt eine tanzende Frau mit Kopfhörer vor einer mit einem Regenbogen bemalten Wand.
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Künstliche Intelligenz
Komponierende KI ist Menschen (noch) unterlegen

Eine neue Studie zeigt die Grenzen von KI-generierten Melodien auf. Musikstudierende schnitten im Vergleich besser ab.

08.11.2024

Die kreativen Möglichkeiten von KI in der Musikkomposition werden überschätzt. Das ist das Ergebnis einer an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover unter der Leitung von Professor Reinhard Kopiez durchgeführten Studie, die vor wenigen Wochen im "Jahrbuch Musikpsychologie" veröffentlicht wurde. Im Rahmen eines Experiments seien Musikstudierende und KI-Systeme vor eine Kompositionsaufgabe gestellt worden. Bei der ästhetischen Beurteilung durch ein Testpublikum aus 71 Personen mit überdurchschnittlicher musikalischer Erfahrung schnitten die menschlichen Lösungen deutlich besser ab.

Die Aufgabe habe darin bestanden, die Anfangstakte eines weitgehend unbekannten Musikstücks im Stil von Filmmusik fortzuführen. Dabei seien einige Rahmenbedingungen zu berücksichtigen gewesen, etwa die maximale Anzahl an Tönen und das Vorhandensein eines eindeutigen melodischen Höhepunks. Die KIs ChatGPT (Version 3.5) und Google Magenta Studio (Version 2.0) hätten 111 Kompositionen, die Musikstudierenden 57 Melodie-Fortsetzungen geliefert. Diese Ergebnisse seien in einem randomisierten Blindtest auf den fünfstufigen Skalen "Gefallen", "Interessantheit", "logisch und sinnvoll" und "überzeugend" bewertet worden – überall sei die menschliche Leistung als überlegen eingeschätzt worden. Kopiez resümiert: "Zumindest die aktuell verfügbaren leistungsfähigsten KI-Systeme bleiben bei standardisierten Bedingungen unterhalb des kreativen Niveaus von Musikstudierenden."

Zugang zum "musikalischen Weltwissen"

Das Ergebnis habe auch die Musikpsychologen erstaunt: Schließlich hätten die Systeme Zugang zum "musikalischen Weltwissen" des Internets und würden inzwischen sogar Singstimmen in überzeugender Qualität bieten. Auch reichten Experimente mit KI-generierter Musik schon länger zurück. Musikalische Stilkopien von Bach, Mozart, Beethoven, Chopin und anderen seien David Cope (auf Basis der Programmiersprache LISP) bereits in den 1990er Jahren gelungen. Durch die allgemeine Verfügbarkeit von KI-Systemen wie ChatGPT, Google Magenta Studio oder Suno seien zum Komponieren mittlerweile keine musiktheoretischen Kenntnisse mehr erforderlich.

Die Forschungsgruppe um Kopiez leitet aus den Ergebnissen die Notwendigkeit ab, die kreative Leistungsfähigkeit von KI-Systemen kritisch zu hinterfragen und die Öffentlichkeit für Schwachstellen zu sensibilisieren. Den derzeit verwendeten KIs mangele es etwa an einem Konzept für Tonalität: So würden Melodiefortsetzungen oftmals in einer anderen Tonart enden als sie begonnen hätten.

hes