Das Foto zeigt eine Geradschnabelkrähe mit einem Stab als Werkzeug.
Auguste von Bayern

Verhaltenslehre
Krähen bauen Werkzeuge aus mehreren Komponenten

Es war bereits bekannt, dass Krähen Werkzeuge herstellen können, um an ihr Futter zu gelangen. Dass sie noch mehr können, konnten Forscher nun zeigen.

28.10.2018

Geradschnabelkrähen können mehrere, für sich alleine zu kurze Elemente kombinieren, um an Futter heran zu kommen. Diese Fähigkeit wurde bisher nur bei Menschen und Menschenaffen beobachtet. Die Krähen können also neuartige Probleme schnell und flexibel lösen. Welche Vorgänge dabei im Gehirn ablaufen, ist jedoch noch unklar. Das berichtet ein internationales Team von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen und der Universität Oxford.

Das Verbinden mehrerer einzelner Komponenten zu einem neuen, funktionsfähigen Werkzeug sehen Anthropologen laut Pressemitteilung bei unseren Vorfahren als wichtigen Schritt in der Evolution des menschlichen Gehirns. Auch in der menschlichen Individualentwicklung träten ähnliche Fähigkeiten erst spät auf. Babys begönnen ungefähr im Alter von 18 Monaten, Werkzeuge zu benutzen. Jedoch fangen sie laut Bericht erst im Alter von ca. fünf Jahren an, neue Werkzeuge zu erfinden, um ein bestimmtes Problem zu lösen.

Das Gehirn müsse sich die neuen Objekte dafür vermutlich zunächst in Gedanken vorstellen und dann die Ausführung planen. Archäologische Funde deuten nach Erkenntnis der Forscher darauf hin, dass Verbundwerkzeuge erst spät in der kulturellen Entwicklung des Menschen aufgetaucht sind und möglicherweise mit der Entwicklung von komplexem Bewusstsein und Sprache einhergehen.

Für geschickten Werkzeuggebrauch waren auch die Geradschnabelkrähen (Corvus moneduloides) bekannt. Wissenschaftler um Auguste von Bayern vom Max-Planck-Institut für Ornithologie Seewiesen und Alex Kacelnik von der Universität Oxford wollten nun wissen, ob die Krähen auch in der Lange sind, Verbundwerkzeuge herzustellen, um an Futter außer Reichweite zu gelangen.

Das "Kisten-Experiment"

Dazu haben sie in ihrer Studie, die heute in der Fachzeitschrift Scientific Reports erscheint, acht Geradschnabelkrähen eine Kiste präsentiert, die diese zuvor noch nie gesehen hatten. Die Beschreibung der Forscher: Die Kiste enthielt einen kleinen Behälter mit einem Leckerbissen, der hinter einer durchsichtigen Tür mit einem Spalt für die Schnäbel nicht zu erreichen war. Zu Beginn der Versuchsreihe stand den Tieren ein langer Stab zur Verfügung, den sie durch den Spalt in die Kiste stecken konnten, um damit das Futter durch eine seitliche Öffnung heraus zu schieben. Alle acht Vögel schafften das ohne Schwierigkeiten. Dann platzierten die Wissenschaftler das Futter nach hinten in die Box und stellten den Krähen verschiedene längliche und hohle Elemente zur Verfügung, die diese zusammenstecken konnten. Für sich alleine waren sie aber zu kurz, um bis zum Futter zu reichen.

Am Ende des Experiments mit fünf Schwierigkeitsstufen blieb immerhin noch ein Vogel übrig, der Werkzeuge aus drei und sogar vier Einzelteilen bastelte. "Dieses Ergebnis ist bemerkenswert, denn die Geradschnabelkrähen bekamen keine Hilfe und auch kein Training, um diese Werkzeuge zu bauen, sie haben ganz alleine herausgefunden, wie sich das Problem lösen lässt", sagt Auguste von Bayern, Erstautorin der Studie.

Die zugrundeliegende mentale Verarbeitung konnten die Forscher mit diesem Versuch jedoch nicht klären. Alex Kacelnik von der Universität Oxford sagt: "Die Ergebnisse zeigen, dass diese Tiere ausgeprägte flexible Fähigkeiten haben, mit denen sie in der Lage sind, neuartige Probleme schnell zu lösen. Eventuell simulieren sie das Problem, in dem sie mögliche Abläufe im Gehirn wieder und wieder durchspielen. Haben sie eine funktionierende Möglichkeit entdeckt, führen sie diese dann aus."

Die Tatsache, dass Geradschnabelkrähen Verbundwerkzeuge erstellen können, bedeute den Forschern zufolge aber nicht, dass die zugrunde liegenden Prozesse im Gehirn die gleichen sein müssten wie bei Menschen oder Menschenaffen. Für die Wissenschaftler eröffne sich aber damit eine Möglichkeit, die gedanklichen Prozesse, die für das Erfinden und den Bau von neuen Werkzeugen nötig seien, weiter zu erforschen.

gri