Zwei Finger drehen an einem runden Regler mit der Aufschrift "link" und "rechts".
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Publikationsbias
"Linksgerichtete" Inhalte werden nicht bevorzugt

Haben manche wissenschaftliche Arbeiten aufgrund ihrer politischen Tendenz bessere Veröffentlichungschancen? Eine aktuelle Studie widerlegt dies.

22.09.2025

"Insgesamt vermitteln unsere Ergebnisse eine weitgehend faire und unvoreingenommene Sicht auf wissenschaftliche Veröffentlichungen, im Gegensatz zu den vielen Bedenken hinsichtlich Publikationsbias und Selbstzensur von Forschenden, die von früheren Autorinnen und Autoren geäußert wurden", fasst das Team um Studienleiter Dr. Steven Zhou vom Claremont McKenna College in Kalifornien die Ergebnisse ihrer Untersuchung zusammen. 

Das Forschungsteam hat geprüft, ob zum Beispiel Verantwortliche im Peer-Review-Prozess die Perspektivenvielfalt in der Wissensproduktion durch ihre Bewertungen als "Gatekeeper" einschränken, "sodass die veröffentlichte Forschung die Vielfalt der Ergebnisse oder Perspektiven der unveröffentlichten Forschung nicht genau widerspiegelt". 

Für die kürzlich erschiene Studie prüften sie in den Abstracts von 20.200 wissenschaftlichen Artikeln, die zwischen 2017 und 2022 veröffentlicht wurden, auf welche Weise kontroverse Themen aufgegriffen werden. Zu diesen zählen nach eigenen Angaben Inhalte wie Meinungsfreiheit, Gewerkschaften, legaler Drogenkonsum, Gesundheitsversorgung, Waffenkontrolle, allgemeines Grundeinkommen, soziale Medien und psychische Gesundheit sowie Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI). "Der Hauptfokus unserer Datenerhebung lag darauf, die Perspektive des Artikels zu dem kontroversen Thema daraufhin zu beurteilen, ob der Inhalt das höchst kontroverse und diskussionswürdige Thema eher unterstützt oder ablehnt", heißt es in der Studie zur KI-gestützten Vorgehensweise. 

Mehrheitlich objektive Sicht auf untersuchte Themen 

1,8 Prozent der Artikel wurden dabei als extrem liberal und 0,9 Prozent als extrem konservativ eingestuft. Wissenschaftliche Arbeiten über Schulungen zu Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion enthielten laut Studie meist politisch mehr links orientierte Aussagen als Artikel über soziale Medien und psychische Gesundheit. Diese seien genauso wie Arbeiten zum Thema Drogenlegalisierung eher moderat bis konservativ ausgerichtet gewesen. 

Alle anderen wissenschaftlichen Veröffentlichungen waren im mittleren Bereich angeordnet, so dass die Artikel eher neutral waren oder beide Seiten des Problems darstellten. Die Analyseergebnisse sind demzufolge "ein gutes Zeichen für die Behauptung, dass akademische Publikationen im Allgemeinen unvoreingenommen in Bezug auf politische Neigungen sind und eine faire Bewertung der wissenschaftlichen Beweise für (oder gegen) ein kontroverses Thema darstellen". Auch zentrale Faktoren wie der Journal Impact Factor, Zitationszahlen oder der Institutionstyp hatten laut Analyse nur einen zu vernachlässigende Korrelation mit der politischen Schlagseite der Artikel. Es ist demnach kein nennenswerter politischer Bias in Fachzeitschriften nachweisbar – wohl aber eine leichte themenspezifische Tendenz. 

Das Autorenteam äußert in seiner Ergebnisbewertung die Ansicht, dass aktuelle Initiativen zur systematischen Schulung von Gutachterinnen und Gutachtern in Bezug auf Unvoreingenommenheit, Entwicklungsorientierung und Fairness das Peer-Review-System verbessert hat. Es könnte so "seine Robustheit und sein Engagement für die Wahrung der Grundsätze akademischer Integrität und Objektivität" gestärkt haben. 

Vorwurf politischer Voreingenommenheit nicht haltbar 

Die Untersuchungsergebnisse stellen nach Einschätzung des Autorenteams in Frage, "dass wissenschaftliche Veröffentlichungen stark von bestimmten politischen Strömungen geprägt sind und dass Lehrkräfte sich selbst zensieren müssen, um erfolgreich in renommierten Zeitschriften mit vielen Zitaten (die letztlich ihre Berufung auf eine Festanstellung stützen) zu publizieren", heißt es in der Studie. Vielmehr scheint die Forschungsqualität im Vordergrund zu stehen. 

Diese und ähnliche Behauptungen der politischen Verzerrung sind aktuell Grundlage diverser politischer Entscheidungen der US-Regierung unter Präsident Donald Trump, der Akademikerinnen und Akademiker oft pauschal als "marxistisch" und "woke" verblendet darstellt. Im Juni kündigte die Trump-Regierung Abonnements im Wert von 25 Millionen US-Dollar von Springer Nature, dem Herausgeber von 290 Peer-Review-Zeitschriften, darunter Natur und Scientific American, berichtete University World News. Die Gatekeeper-Studie steht auch in scharfem Kontrast zu den Ankündigungen des Gesundheitsministers Robert F. Kennedy Jr., Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Auftrag der Regierung die Veröffentlichung in bestimmten medizinischen Fachzeitschriften zu verbieten, mit der Begründung, dass diese meist "korrupt" seien. 

Wenige Wochen zuvor hatten die Bürgerrechtsbüros des US-Bildungsministeriums und des US-Gesundheitsministeriums Untersuchungen gegen die Harvard University und die Harvard Law Review angekündigt. Das Journal habe "rassistische Kriterien anstelle von leistungsorientierten Standards für Artikelveröffentlichungen" angewandt. Mit der Veröffentlichung seien politische Anliegen verfolgt worden. "Das Auswahlverfahren für Artikel in der Harvard Law Review scheint Gewinner und Verlierer auf der Grundlage der ethnischen Zugehörigkeit auszuwählen und dabei ein System zu verwenden, bei dem die ethnische Zugehörigkeit des Rechtswissenschaftlers genauso wichtig ist wie die Qualität des eingereichten Beitrags, wenn nicht sogar wichtiger", sagte Craig Trainor, stellvertretender Staatssekretär für Bürgerrechte.

cva