Das Foto zeigt eine Gesprächssituation an einem Schreibtisch zwischen Arzt und Patient.
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Medizin
Mediziner warnen vor Gefahren für Patienten

Eine gute Behandlung von Patienten fußt auf seriöser medizinischer Forschung. Diese sei aktuell oft nicht garantiert, warnt ein Fachverbund.

15.11.2018

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) hat die Verbreitung von "wertloser Forschung und von Pseudowissen über sogenannte Predatory Journals und Fake Kongresse sowie durch Einflussnahmen von Lobbygruppen" scharf kritisiert. "Unseriöse Informationen breiten sich ungehemmt aus – dadurch sehen wir Patienten in Gefahr", warnt der Präsident der AWMF, Professor Rolf Kreienberg auf einer Delegiertenkonferenz in Berlin.

Wesentliche Gründe dieser Fehlentwicklung sind nach Ansicht des AWMF "falsche Belohnungssysteme, die nicht nur durch Fremdeinflüsse, sondern auch durch die Erosion eigener Ansprüche der medizinischen Wissenschaft befeuert" würden. Masse zähle anstatt Klasse.

Symptomatisch dafür seien zunehmende Vielfachveröffentlichungen von Studien. Mitverantwortlich für die Publikationsmengenausweitung seien falsche Anreizmechanismen an den Universitäten. Statt langen Listen mit Veröffentlichungen, die für die Karriereentwicklung von Wissenschaftlern beispielsweise im Rahmen von Habilitations- und Berufungsverfahren ausschlaggebend sind, sollten die wirklich für die Verbesserung der Patientenversorgung relevanten Publikationen berücksichtigt werden.

Wirtschaftliche Interessen und mangelnde Qualitätsstandards

Der AWMF kritisiert in diesem Zusammenhang auch die leistungsorientierte Mittelvergabe an universitären Einrichtungen und fordert ein Umdenken. Insbesondere habe die von der AWMF seit Jahren vielfach kritisierte Heranziehung des Journal Impact Factors, also die errechnete Zahl, die darüber Auskunft gibt, wie oft Artikel einer bestimmten Zeitschrift in anderen Publikationen zitiert worden sind, mit dafür gesorgt, dass vor allem die Menge zähle.

Eine weitere Ursache der Mengenausweitung von Publikationen sind nach Ansicht der Vereinigung wirtschaftliche Interessen von Verlagen und Zeitschriften. Leider werde das zur Förderung der Wissenschaftsfreiheit von der AWMF unterstützte Open-Access-Verfahren, welches die freie Verfügbarkeit wissenschaftlicher Publikationen per Bezahlung durch die Autoren sicherstellen soll, zunehmend durch sogenannte Predatory Journals unterwandert. Diese finanzierten sich durch von Autoren bezahlte Publikationen, dabei fehle ihnen aber die notwendige Qualitätssicherung durch Peer-Review-Verfahren.

Als Gegenmaßnahme sollten Autoren sich an Positivlisten seriöser Open-Access-Journale orientieren, wie sie vom "Directory of Open Access Journals" und von der AWMF geführt werden, oder die in ausgewählten Datenbanken des Web of Science gelistet sind.

Weiter kritisiert die AWMF, dass ein offener, kontroverser Austausch über Studienergebnisse nicht immer möglich sei. Mit Sorge beobachte man, dass Interessengruppen auf Autoren und seriöse Publikationsorgane Einfluss nähmen, um "unliebsame" Veröffentlichungen zurückzuhalten. Damit sei die Freiheit der Forschung in Gefahr. Diskussionen über kontroverse medizinische Studienergebnisse seien aber notwendig und müssten sachorientiert geführt und veröffentlicht werden.

Die AWMF fordert Forscher, medizinische Fakultäten, medizinische Verlage und die Bundesregierung auf, Maßnahmen gegen Fehlsteuerungen zu ergreifen.

gri