Eisberge an der Westküste Grönlands
dpa

Klimawandel
Meeresspiegel könnte stärker ansteigen als gedacht

Der Meeresspiegel könnte bis 2100 um mehr als einen Meter ansteigen. Das zeigen Risikoabschätzungen mit neuem Wissen über Eismassen.

08.05.2020

Wenn die Menschheit weiterhin so viel Treibhausgas ausstößt wie bislang, könnte der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um mehr als einen Meter ansteigen, bis 2300 sogar um mehr als fünf Meter. Das geht aus einer Befragung von über 100 internationalen Forscherinnen und Forschern hervor, die zu den aktivsten Autorinnen und Autoren wissenschaftlicher Studien zum Meeresspiegel gehören. Die Umfrage, über die das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) am Freitag berichtete, leitete ein Forscherteam der Nanyang Technological University in Singapur.

Die neue Risikoabschätzung basiere auf zunehmendem Wissen über Ozeane, Eismassen und Wasserkreisläufe sowie verbesserten Berechnungsmodellen im Vergleich zu früheren Umfragen und Berichten. Die größten Unsicherheiten bestehen der Studie zufolge noch in der Entwicklung der Eisschilde Grönlands und der Antarktis. Trotz verbleibender Unsicherheiten zeigten die Analysen der Befragten, dass frühere Schätzungen des Meeresspiegelanstiegs zu niedrig waren. Die aktuellen Schätzungen der Expertinnen und Experten liegen der Mitteilung zufolge im Schnitt höher als die jüngsten Prognosen des Weltklimarats (IPCC).

In seinem fünften Sachstandsbericht war der Klimarat 2014 bei weiterhin unverminderten Emissionen noch von einem Anstieg des Meeresspiegels zwischen 0,52 und 0,98 Metern bis 2100 ausgegangen. In seinem 2019 erschienenen Sonderbericht korrigierte der IPCC seine Prognosen bereits auf 0,61 bis 1,10 Meter. In den Sonderbericht flossen bereits neue Erkenntnisse über Eissschilde ("marine ice sheet instability" MISI) ein. In den Abschätzungen der Befragten in der aktuellen Umfrage seien nun auch Erkenntnisse über Eisklippen ("marine ice cliff instability" MICI) berücksichtig worden, heißt es in der Studie.

Für das Szenario eines unverminderten Ausstoßes und einer durchschnittlichen Klimaerwärmung von 4,5 Grad Celsius sagten die Expertinnen und Experten nun einen Anstieg des Meeresspiegels zwischen 0,63 und 1,32 Metern voraus. Bis 2300 könne der Meeresspiegel demnach sogar zwischen 1,67 und 5,61 Metern ansteigen. Selbst bei einer schwächeren Erwärmung von zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau sagen die Befragten einen steigenden Meeresspiegel von 0,30 bis 0,65 Metern bis 2100 voraus.

"Was wir heute innerhalb weniger Jahrzehnte tun, bestimmt den Meeresspiegelanstieg für viele Jahrhunderte", sagte Ko-Autor der Studie Professor Stefan Rahmstorf vom PIK. Die Menschheit habe es damit aber auch selbst in der Hand, wie stark sie die Risiken für Millionen von Menschen an den Küsten der Welt ansteigen lasse.

ckr