Foto der Gewöhnlichen Leuchterflechte (Candelaria concolor)
R. Lücking, Botanischer Garten Berlin

Mykologie
Neue Großgruppe der Pilze entdeckt

Eine neue Studie verändert das Bild der Pilzwelt: Über 600 Arten haben einen unerwarteten gemeinsamen Ursprung, der Millionen Jahre zurückliegt.

25.11.2022

Ein internationales Forschungsteam hat unter den bisher bekannten Pilzen und Flechten eine neue Großgruppe identifiziert: Mithilfe von Genom-Sequenzierungen konnten die Forschenden nachweisen, dass über 600 Arten einen gemeinsamen Ursprung haben. Zuvor waren sie sechs verschiedenen taxonomischen Klassen zugeordnet, teilte der an der Studie beteiligte Botanische Garten Berlin an der Freien Universität Berlin am Donnerstag mit. Es sei in der Mykologie das erste Mal, dass eine Großgruppe in dieser Form neu erkannt wurde.

Die neu entdeckte Pilzgruppe erhielt die Bezeichnung Lichinomycetes und trägt damit laut Mitteilung den Originalnamen einer bisherigen Klasse, welche in dieser neuen Großgruppe aufgegangen sei und die meisten der Arten stelle. Der gemeinsame Vorfahre der neuen Pilzgruppe habe sich bereits vor über 300 Millionen Jahren von den Vorfahren anderer Schlauchpilzgruppen abgespaltet. Da die neue Gruppe auch einige Flechten enthalte, könnte deren Ursprung früher liegen als bisher angenommen.

Eigentlich wollten die Pilzexpertinnen und -experten nur einige wenig beachtete "Sonderlinge" unter den Schlauchpilzen (Ascomycota) untersuchen, um sie im Reich der Pilze besser einordnen zu können. Dabei hätten sie die unerwartete Verwandtschaft festgestellt: "Zweiundzwanzig der dreißig untersuchten Linien gehen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück. Sie repräsentieren zusammen über 600 Arten", erklärte Robert Lücking, Mitautor der in der Fachzeitschrift "Current Biology" veröffentlichten Studie. Für die Pilzwelt sei dies eine beispiellose Neuordnung.

Bei den langjährigen DNA-Untersuchungen fiel den Forschenden zudem auf, dass die neue Pilzgruppe relativ kleine Genome hat. Den Pilzen fehlten Gene, die es anderen Pilzen ermöglichen, organische Materie abzubauen. Dadurch seien sie nur an ganz spezielle Lebensräume angepasst und stark von symbiotischen Beziehungen abhängig. Das mache sie im Vergleich zu anderen Pilzen anfälliger für veränderte Umweltbedingungen.

ckr