Kunsthandwerker Markus Füchtner und Materialwissenschaftler Holger Kunze mit der von ihnen entwickelten Räucherrakete.
Fraunhofer IWU

Materialwissenschaft
Raketen-Willy "fliegt" mit Weltraum-Technologie

Kunsthandwerker und Forscher haben eine Rakete für "Nussknacker Wilhelm" entwickelt. Das verwendete Material wird auch im Weltraum eingesetzt.

25.12.2022

Im Erzgebirge haben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU zusammen mit lokalen Kunsthandwerkern eine weihnachtliche Rakete für den traditionellen "Nussknacker Wilhelm" entwickelt. Die Räucherrakete wird mit einer Räucherkerze betrieben, deren Wärme ein spezielles Material in der Trennkammer "zündet", so dass sich der Deckel der Rakete öffnet und der darin befindliche Nussknacker herausschaut.

"Der Mechanismus basiert auf einem Bauteil im Inneren der Rakete aus einer sogenannten Form-Gedächtnis-Legierung (FGL)", erklärt der Materialwissenschaftler Holger Kunze. "Dieser Funktionswerkstoff besteht je zur Hälfte aus Nickel und Titan und kann je nach Temperatur zwei verschiedene Formen annehmen." In der Rakete dehne sich zum Beispiel eine aus diesem Material bestehende, kompakte Spirale bei Erwärmung zu einem geraden Draht aus, der dann die Rakete öffne. Die dafür notwendigen 65 Grad Celsius seien mit einer Räucherkerze problemlos erreichbar. Nach Abkühlung kehre das Material in seine Ausgangsform zurück.

Ähnliche Mechanismen seien auch mit Rohren und Blechen aus dieser oder anderen metallischen FGL möglich. "Im Prinzip können alle möglichen dreidimensionalen Formen mit den Werkstoffen gebildet werden", so Kunze. Diese müssten den Materialien nur "eintrainiert" werden. Zum Einsatz kommen solche Legierungen nicht nur an Weihnachten: Die Forschenden entwickeln beispielsweise auch Materialien für die Raumfahrt, wobei etwa ein Bauteil aus einer FGL ein eingeklapptes Solarpanel im Weltraum öffnet. Andere Anwendungen fänden sich in Küchenutensilien, in Autos, in der Medizin- oder Gebäudetechnik. Dort könnten sie zum Beispiel für Thrombosestrümpfe oder spezielle Rollos verwendet werden, die mithilfe der Wärme der Sonne Fassaden verdunkeln können, um je nach Sonneneinstrahlung die Räume zu kühlen.

"Wir haben durchweg positive Rückmeldungen zu unserem Weihnachtsprojekt mit dem Raketen-Willy bekommen", erzählt Kunze. Zwar sei dies zunächst nur eine limitierte Auflage und eher ein kleineres Projekt für die Forschenden. Die Kooperation habe aber sowohl der Materialwissenschaft als auch den Seiffener Kunsthandwerkern um Markus Füchtner und des Kreativzentrums "Denkstatt Erzgebirge" um Wolfgang Braun Aufmerksamkeit verschafft, von der alle Seiten profitierten. Auch in Zukunft wolle man bei ähnlichen Projekten zusammenarbeiten.

ckr