Portrait eines lächelnden älteren Herren in Hemd und Krawatte
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Wirtschaftsforschung
Rente mit 65 birgt Gesundheitsrisiko

Der Renteneintritt beeinflusst die Sterblichkeit. Ob positiv oder negativ, entscheiden die Beschäftigung vor der Rente und das Eintrittsalter.

06.08.2019

Männer aus manuellen, geringbezahlten Berufen profitieren gesundheitlich davon, mit 63 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Für Männer und Frauen, die aus gut bezahlten Tätigkeiten mit 65 Jahren ihr Berufsleben beenden, steigt hingegen die Sterblichkeit kurz nach der Verrentung. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die abrupt veränderte Aktivität um den Renteneintritt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.

Bei Männern und Frauen aus der oberen Hälfte der Einkommensverteilung, die mit 65 Jahren in Rente gehen, steige die Sterblichkeit nach dem Renteneintritt um 2,6 (Männer) beziehungsweise 4,6 Prozent (Frauen). Bei Männern und Frauen aus der unteren Hälfte der Verdiener, die mit 65 Jahren in Rente gehen, steige die Sterblichkeit ebenfalls, jedoch nur um 1,5 beziehungsweise 1,4 Prozent.

"Die Erwerbsbiografie ist entscheidend für die Art der Aktivitätsveränderung um den Renteneintritt. Gerade frühere Gutverdiener sind durch den Renteneintritt offenbar größeren Gesundheitsrisiken ausgesetzt", sagt der Autor der Studie, Dr. Matthias Giesecke. Eine mögliche Erklärung sei die soziale Isolation im Rentenalter, weil Gutverdiener mit der Berufstätigkeit auch Berufsprestige und soziale Netzwerke verlieren.

Der Eintritt in den Ruhestand kann die Sterblichkeit laut der Studie positiv oder negativ beeinflussen. Der Ruhestand sei häufig mit weniger Stress und mehr Freude assoziiert, könne aber auch mit reduzierter Aktivität, sozialer Isolation und geistigem Verfall einhergehen.

Rentner mit 63 profitieren vom Ruhestand

Der Renteneintritt mit 63 hat demnach einen positiven Gesundheitseffekt. Bei Männern aus der unteren Hälfte der Einkommensverteilung, die mit 63 Jahren ihr Berufsleben beenden, sinke die Sterblichkeit kurz nach der Verrentung um 1,6 Prozent. Bei Männern, die mit 63 Jahren ihr Berufsleben beenden und zuvor zur oberen Hälfte der Verdiener gehörten, sei kein Effekt auf die Sterblichkeit zu beobachten. Die statistische Akkumulation des Renteneintritts mit 63 wurde nur bei Männern untersucht, da Frauen mit 63 häufig noch nicht die notwendigen 35 Erwerbsjahre vorweisen könnten.

Männer, die mit 63 Jahren in Rente gehen, kommen laut der Studie überwiegend aus Berufen mit manuellen Routinetätigkeiten und relativ geringem Verdienst. Viele dieser Jobs seien körperlich anstrengend oder mit Gefährdungen am Arbeitsplatz verbunden. Weniger Stress und Gefahren sowie ein relativ hoher Freizeitwert senkten bei dieser Gruppe nach dem Renteneintritt die Sterblichkeit.

Ebenfalls positiv wirke sich die Verrentung auf Männer aus, die mit 63 Jahren aus vorheriger Arbeitslosigkeit in Rente gehen. Ihre Sterblichkeit sinke um 1,2 Prozent. Sie seien dann nicht mehr dem Stigma der Arbeitslosigkeit ausgesetzt.

Studienergebnisse bei Rentenverteilung berücksichtigen

Nach Ansicht der Forschenden sollten Politiker den in der Studie gezeigten Zusammenhang zwischen Sterblichkeit im Rentenalter und Lebenseinkommen berücksichtigen. Die zugrundeliegenden Mechanismen und Effekte zu verstehen, sei angesichts der Gesundheitskosten im Ruhestand relevant für die Politik. Die Lebensjahre im Ruhestand seien zudem ein Schlüsselfaktor bei der Berechnung und Verteilung der Rente. Bei Diskussionen um eine Erhöhung des Renteneintrittsalters würden diese Aspekte häufig vergessen.

Die Studie basiere auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) und der Deutschen Rentenversicherung. Für den Zeitraum 1994 bis 2013 wurden Daten zu Geburt, Tod und Renteneintritt von rund 280.000 Rentnerinnen und gut 500.000 Rentnern der Geburtsjahrgänge 1934 bis 1936 ausgewertet. Frauen sind in der Studie seltener vertreten, weil ihre Erwerbsbiografien deutlich heterogener seien und statistisch signifikante Auswertungen nur bedingt ermöglichten.

Die Studie beschreibe nur messbare, kurzfristige Effekte des Renteneintritts auf die Sterblichkeit. Die Autoren der Studie gehen jedoch davon aus, dass die Effekte auch langfristig, für den gesamten Ruhestand gelten. Bestehende empirische Daten zum Effekt des Renteneintritts auf die Gesundheit existierten bislang nur für Subgruppen und seien daher divers, teils widersprüchlich und umstritten. Die aktuelle Studie zeige dagegen zwei große empirische Gruppen nach Lebenseinkommen.

ckr