Tierschutz
Rückgang an Tierversuchen hält an
Der Abwärtstrend beim Einsatz von Versuchstieren in der Forschung setzt sich fort: 2023 sank die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 15,6 Prozent auf insgesamt 1,46 Millionen Wirbeltiere und Kopffüßer. Das geht aus Zahlen des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) hervor. Die Zahl der "überzähligen" Versuchstiere, die für einen Versuch gezüchtet werden, aber nicht dafür verwendet werden konnten, ging sogar um 22 Prozent zurück. "Der Rückgang an Tierversuchen betrifft fast alle Bereiche, so die Grundlagenforschung und die angewandte Forschung", erläuterte BfR-Präsident Professor Andreas Hensel.
"Bemerkenswert ist insbesondere ein historischer Tiefststand bei schwer belastenden Versuchen", so Hensel weiter. Der Anteil der entsprechend eingestuften Versuche lag bei 3,5 Prozent. 64 Prozent der Versuche wiesen einen geringen Schweregrad auf. "Auch hier sehen wir, wie das 3R-Prinzip "replace, reduce, refine" seine Wirkung entfaltet", kommentierte Professor Stefan Treue, Sprecher der Initiative "Tierversuche verstehen", die Entwicklung. "So werden nicht nur weniger Tiere eingesetzt, sondern auch durch verbesserte Methoden die Belastungen für die Tiere in noch nicht ersetzbaren Versuchen immer weiter reduziert."
Laut BfR-Berichte handelte es sich bei 80 Prozent der Versuchstiere um Nagetiere (vorwiegend Mäuse), bei elf Prozent um Fische. Die Tiere seien zu fast 60 Prozent in der Grundlagenforschung und zu 14 Prozent in der anwendungsorientierten Forschung zum Einsatz gekommen. Zur Qualitäts- und Sicherheitsprüfung von medizinischen Produkten oder chemischen Substanzen wurden 17 Prozent der Versuchstiere verwendet. Sechs Prozent der Tiere dienten der Erhaltung genetisch veränderter Populationen. Ein Schwerpunkt der tierexperimentellen Versuche lag wie in den Vorjahren auf der Krebsforschung.
Zu schön, um wahr zu sein?
Die Initiative "Tierversuche verstehen" reagierte umgehend auf die veröffentlichten Zahlen: Deutlich werde, dass die Bemühungen der Wissenschaft um eine Reduzierung von Tierversuchen wirkten, sagte Treue. Jedoch verdiene das Ausmaß des Rückgangs einen näheren Blick: "Denn wenn Versuche ins Ausland verlagert werden, ist die deutsche Statistik nur die halbe, geschönte Wahrheit und wäre kein Gewinn für den Tierschutz." Laut "Tierversuche verstehen" könnten eine unsichere Rechtslage und ausufernde Bürokratie zur Folge haben, dass Züchtung und Experimente im Ausland durchgeführt würden.
Die Forschungscommunity scheue zunehmend davor zurück, tierexperimentelle Ansätze überhaupt anzugehen. "Wir bekommen die Nachteile für die deutsche Forschungslandschaft im internationalen Wettbewerb deutlich zu spüren", so Treue. Diese Probleme würden sich unter anderem in der Reduktion der Versuchstierzahlen widerspiegeln.
Mehr Rechtssicherheit für Forschende zu schaffen, ist das Ziel des überarbeiteten Entwurfs zur Novellierung des Tierschutzgesetzes, welchen das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Ende Juli vorlegte. Damit reagierte es auf die deutliche Kritik von Wissenschaftsvertretungen auf die geplante Verschärfung des Strafmaßes im Tierschutzgesetz (Forschung & Lehre berichtete). Neben einer gesetzlichen Neuregelung soll auch die Entwicklung von Alternativmethoden weiter vorangetrieben werden. Die final abgestimmte Reduktionsstrategie für Tierversuche hatte die Bundesregierung für April 2025 angekündigt.
hes