Bild eines Schimpansen, der Insekten in eine Wunden eines anderen Schimpansen legt.
Tobias Deschner_Ozouga Chimpanzee Project

Verhaltensbiologie
Schimpansen verarzten Wunden mit Insekten

Schimpansen wissen womöglich um die heilende Wirkung bestimmter Insekten. Sie behandeln sich selbst und andere Gruppenmitglieder damit.

08.02.2022

In freier Wildbahn lebende Schimpansen fangen und zerdrücken Insekten und legen sie gezielt in eigene Wunden sowie die von Gruppenmitgliedern. Diese Entdeckung machten Forscherinnen und Forscher aus Osnabrück und Leipzig beim "Ozouga"-Schimpansenprojekt im Nationalpark Loango in Gabun. Über ihre Beobachtungen berichten sie in der Fachzeitschrift "Current Biology".

Das Team um den Primatologen Dr. Tobias Deschner und die Kognitionsbiologin Professorin Simone Pika von der Universität Osnabrück beobachtet eine Gemeinschaft von rund 45 Schimpansen in dem Nationalpark im Hinblick auf ihre sozialen Beziehungen, ihr Jagdverhalten, ihren Werkzeuggebrauch sowie ihre kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten.

Über 15 Monate hinweg dokumentierten die Forschenden 76 Fälle, in denen Tiere offene Wunden hatten. Bei 22 davon beobachteten sie, wie die Tiere gezielt Insekten in die Wunde legten. Die Primaten hätten dafür ein Insekt aus der Luft gefangen oder von einem Blatt genommen und es zwischen den Lippen zerdrückt, berichten die Forschenden. Anschließend platzierten sie es demnach mit dem Mund oder den Fingern auf der Wunde und bewegten es mit der Fingerspitze hin und her. Danach holten sie das Insekt mit Fingern oder Mund wieder aus der Wunde. Dieser Vorgang wurde mehrfach wiederholt.

Verhalten bislang nur vom Menschen bekannt

Dass bestimmte Substanzen enthaltende Insekten zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung genutzt werden, sei bislang nur vom Menschen bekannt, sagte Kognitionsforscherin Pika. Klar war hingegen bereits, dass viele Tiere Pflanzenteile oder andere Dinge für medizinische Zwecke nutzen. "Unsere nächsten lebenden Verwandten, die Schimpansen und Bonobos, verzehren zum Beispiel bestimmte Blätter, um sich gegen Darmparasiten zu schützen."

Die Forschenden staunten bei der Studie auch darüber, dass die Schimpansen nicht nur ihre eigenen Wunden, sondern auch die anderer Tiere aus der Gruppe mit den zerdrückten Insekten versahen. "Solche prosozialen Verhaltensweisen für Gruppenmitglieder sind bis jetzt nur sehr selten in nicht-menschlichen Tieren beobachtet worden", sagte Pika.

Ob die von den Schimpansen gefangenen Insekten tatsächlich bestimmte, etwa die Wundheilung fördernde Substanzen enthalten, ist bisher unklar. Die Forschenden wollen zur Klärung Reste der genutzten Insekten sammeln und analysieren.

"Es ist faszinierend, dass uns Schimpansen trotz jahrzehntelanger Forschung immer wieder mit neuen Verhaltensweisen und Fähigkeiten überraschen", sagte der Direktor der Ozouga-Station, Tobias Deschner. Es gebe noch vieles über die nächsten Verwandten der Menschen zu erfahren.

dpa/ckr