

Finanzierung
Schwächen die EU-Finanzpläne die Grundlagenforschung?
Europas Hochschulen sind hinsichtlich der Aussichten auf weitere staatliche Investitionen generell pessimistisch. Jüngste Kürzungen der öffentlichen Mittel in mehreren Ländern und anhaltende globale politische Spannungen erfordern eine Neubewertung der Finanzstrategien, so die europäische Hochschulvereinigung (EUA) in einer Pressemitteilung vom 3. April.
In einem parallel veröffentlichten Briefing eröffnet die EUA eine institutionelle Perspektive zur Lage der Hochschulfinanzen in Europa. InZukunft seien widerstandsfähigere Finanzierungsmodelle notwendig. Die Ursachen würden unter anderem in stagnierenden öffentlichen Fördermitteln, steigenden Betriebskosten, erhöhtem Investitionsbedarf und veränderten Studierendenzahlen liegen.
"Es ist an der Zeit, den Fokus der Universitätsfinanzierung über die Kernkonzepte Leistung und Wettbewerb hinaus zu erweitern", kommentiert EUA-Präsident Josep M. Garrell die Veröffentlichung. Private Finanzierungsquellen wie Studiengebühren für internationale Studierende, kostenpflichtige Weiterbildungsangebote sowie Drittmittel beispielsweise durch Kooperationen mit Unternehmen gewinnen laut Briefing an Bedeutung.
Forschungsfinanzierung auch auf europäischer Ebene sicherstellen
Angesichts der Diskussionen über das Nachfolgeprogramm von Horizon Europe begrüßte die EUA darüber hinaus vor wenigen Wochen die "Warschauer Erklärung" der europäischen Forschungsministerinnen und Forschungsminister. Die Beteiligten haben darin für Europa als Nachfolge von Horizon Europe weiterhin ein eigenständiges Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (FP10) gefordert. Das europäische Parlament habe sich ebenfalls befürwortend für ein eigenständiges Programm geäußert. Der im Januar veröffentlichte „Wettbewerbsfähigkeitskompass“ hatte auf die Absicht der EU-Kommission hingedeutet, die Forschungs- und Innovationsförderung in einen neuen "Europäischen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit" integrieren zu wollen.
Die EUA betont, dass "die Integration von FP10 in einen umfassenderen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit Risiken berge". Die vorgeschlagene Struktur könnte Flexibilität über Stabilität stellen. Dies würde die Kontinuität von Forschungsprojekten gefährden. Die derzeitige horizontale Säule fördere zudem Inklusion, Exzellenz und Zusammenarbeit in ganz Europa, doch könnten diese Ziele bei einem breiteren Fonds gegenüber industriellen und wirtschaftlichen Prioritäten zweitrangig werden.
Für Hochschulen sind die europäischen Drittmittel ein wichtiger Bestandteil zur Finanzierung von Forschung. Laut Monitor zur Hochschulinternationalität (HSI) haben allein deutsche Hochschulen 2023 über eine Milliarde Euro an Drittmitteln aus EU-Quellen eingeworben. Der Betrag, der von den Hochschulen aus dem Horizont-Europa-Programm eingeworbenen Fördermittel, lag demnach 2023 bei 845 Millionen Euro. Über 80 Prozent der Einnahmen entfielen auf Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) und Fördermittel für Verbundforschung.
Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit könnte Forschung beschneiden
"Die Umlenkung von Mitteln für kurzfristige politische Ziele" befürchtet die EUA beispielsweise als Folge der Abschaffung eines eigenständigen Forschungsförderprogramms. Ebenso die Fähigkeit Europas, die Grundlagenforschung zu unterstützen, sieht sie durch die Einbettung in eine politisch getriebene Struktur gefährdet. "Zwar ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit wichtig, doch eine zu enge Verknüpfung des FP10 mit diesem Ziel birgt die Gefahr, wichtige Forschung in Bereichen wie Gesundheit und Klima zu vernachlässigen", konkretisiert eine EUA-Sprecherin mögliche Risiken auf Anfrage von Forschung & Lehre.
Eine Beschränkung auf Forschungsbereiche mit direktem wirtschaftlichem Nutzen sollte laut Sprecherin unterbleiben. Ein starker Bottom-up-Förderansatz sei ebenfalls entscheidend, um vielfältige wissenschaftliche Forschung über rein wettbewerbsorientierte Prioritäten hinaus zu fördern. "Ein ausgewogenes Forschungsprogramm, das sowohl strategische Prioritäten als auch offene wissenschaftliche Forschung unterstützt, wird Europa helfen, angesichts künftiger Herausforderungen wettbewerbsfähig und widerstandsfähig zu bleiben", fasst die Sprecherin zusammen.
Auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hatte bereits Bedenken dazu geäußert, das bewährte Forschungsförderungssystem aufzugeben. Die Forschungsförderung der EU müsse thematisch offen, breit zugänglich und auf Basis wissenschaftlicher Exzellenz ausgerichtet bleiben. Laut Professor Georg Krausch, HRK-Vizepräsident für Forschung und wissenschaftliche Karrierewege, dürfe eine Förderungsreform keinesfalls dazu führen, dass für Forschung, die primär auf wissenschaftlicher Neugier und Relevanz beruhe und daher meist noch keine konkrete Verwertbarkeit in den Blick nehmen könne, weniger Fördermöglichkeiten als heute bestünden.
Bereits in diesem Sommer wird die Europäische Kommission voraussichtlich einen Vorschlag für die Finanzierung des nächsten EU-Rahmenprogramms im mehrjährigen Finanzrahmen für die Zeit nach 2027 vorlegen.
Freiheit unter Druck – Schwerpunkt in Forschung & Lehre
Die April-Ausgabe von Forschung & Lehre widmet sich mit einem Themen-Schwerpunkt der Freiheit.
Die Beiträge:
Karl-Rudolf Korte
Angewandte Freiheiten: Demokratie im Spannungsfeld von Wählerinteressen, Politik und einer veränderten Informationskultur
Klaus Ferdinand Gärditz
Funktionstüchtigkeit statt Applaus: Wie unsere freiheitliche Verfassungsordnung unter Druck geraten ist und was es darauf für Antworten gibt
Stefan Gosepath
Gewisse Spannung: Wissenschaftsfreiheit aus philosophischer Sicht
Susan Richter
Von Affen und Menschen: Die Fackel zwischen Aufklärung und Zerstörung
Christina Elmer
Empörung first, Wahrhaftigkeit second: Chancen und Gefahren digitaler Diskursräume
Hier geht es zur aktuellen Ausgabe – Reinlesen lohnt sich!
cva