Das Foto zeigt drei junge Frauen, die über Kopfhörer Musikhören.
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Musik
Songtitel sind mehr als Worte

Musikstücke haben in der Regel Titel, selbst wenn sie "Ohne Titel" heißen. Eine Studie ist ihrer Bedeutung für das Hören auf den Grund gegangen.

18.04.2018

Dass Titel die Wahrnehmung und Wertschätzung von Gemälden oder Kunstobjekten stark beeinflussen, ist inzwischen allgemein bekannt und gut erforscht: Das identische Bild mit zwei verschiedenen Überschriften kann ganz unterschiedlich wahrgenommen werden. Die Frage, ob Songtitel die Wahrnehmung und Bewertung von Musik beeinflussen, wurde jedoch bislang noch nicht untersucht.

Dem sind nun die Wissenschaftler Manuel Anglada-Tort, Dr. Jochen Steffens und Dr. Daniel Müllensiefen in einer gemeinsamen Studie  des Fachgebiets Audiokommunikation der TU Berlin und der Goldsmiths University of London auf den Grund gegangen.

"Titel sind ein grundlegendes Element jeder Musik. Wenn wir in Playlists nach Musik suchen, tun wir das in der Regel anhand der Titel, die uns an unsere Lieblingsmusik erinnern", so Manuel Anglada-Tort, Erstautor der jetzt in der Fachzeitschrift „Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts“ erschienenen Studie.

Grundsätzlich können Songtitel einen negativen oder positiven emotionalen Inhalt haben (z.B. "Tragedy" von Norah Jones oder "Kiss" von Prince). Andere können eine starke Aussage transportieren wie "Ha ha you’re dead" von Green Day. In jedem Fall verbinden Menschen mit einem Titel Emotionen. In der aktuellen Studie haben die Wissenschaftler die Auswirkungen von Songtiteln in zwei verschiedenen Experimenten untersucht, in denen Versuchspersonen Musik vorgespielt wurde, die sie anschließend bewerten mussten.

Leicht oder schwer auszusprechende Titel

Im ersten Experiment unterschieden sich die Titel anhand ihrer flüssigen Aussprache. Identische Musikstücke wurden einer Gruppe entweder mit fließenden, leicht auszusprechenden Titeln präsentiert oder mit komplizierten, schwer auszusprechenden Titeln. Die Ergebnisse zeigten, dass Teilnehmenden die Musik, die ihnen mit einem leicht auszusprechenden Titel vorgestellt wurde, nicht nur besser bewerteten, sondern dass sie das Lied auch eher Freunden empfehlen oder ein Konzert dieser Künstlerin oder dieses Künstlers besuchen würden.

Manipulierte Songtitel

In einem zweiten Experiment wurden die emotionalen Assoziationen der Songtitel manipuliert. Dieselben Musikstücke wurden mit positiven ("Passion"), negativen ("Tragedy") oder neutralen ("Window") Titeln präsentiert. Wurde das identische Musikstück mit negativen Titeln belegt, maßen die Versuchspersonen diesen Musikstücken auch einen geringen ästhetischen Wert bei. Bei den Erinnerungswerten war der Zusammenhang exakt umgekehrt: neutrale und negative Titel hatten die höchsten Erinnerungsquoten. "Insgesamt ergab eine abschließende Gesamtanalyse, dass die gleiche Musik besser bewertet wurde, wenn sie mit Titeln präsentiert wurde als ohne. In dem Fall spielte die Emotionalität des Titels keine Rolle", so Manuel Anglada-Tort.

Die Studie zeigt, dass – vergleichbar mit dem Einfluss von Titeln auf Kunstwerke – die Manipulation der linguistischen Eigenschaften eines Titels auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Bewertung des dazugehörigen Stückes hat. Die Autoren resümieren daher, "dass Songtitel mehr sind als Worte; sie sind Signale, die Menschen beeinflussen."

gri