Der Münzschatz aus dem 30-jährigem Krieg aus einem Fund bei Oldenstorf ist im Labor des Archäologischen Landesamts Mecklenburg-Vorpommern zu sehen.
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Archäologie
Spektakuläre Ausgrabungen 2021

Archäologen in Mecklenburg-Vorpommern sind in diesem Jahr viele spektakuläre Funde geglückt. Sie korrigieren manchen Blick auf die Vergangenheit.

31.12.2021

Mecklenburg-Vorpommerns Archäologen blicken auf ein fundreiches Jahr 2021 zurück. Vor allem die rund 200 ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger haben dazu beigetragen: Mehrere Hundert Artefakte haben sie bei ihren Begehungen auf Äckern und Wiesen ausfindig gemacht. Die Fundstellen halten sie per GPS-System exakt fest. Eingepflegt in eine Datenbank, wird es so möglich, die einzelnen Stücke – oft sind es nur Bruchstücke – zu einer Geschichte zusammenzufügen. Manchmal ändern die Funde sogar den Blick auf die Geschichte. Landesarchäologe Detlef Jantzen hat einige der spektakulärsten Funde des Jahres 2021 aus dem Depot geholt.

Eine fast 2000 Jahre alte Münzfälscher-Werkstatt

"Dass die Germanen römische Münzen gefälscht haben, ist bekannt", berichtet Jantzen. "Jetzt haben wir möglicherweise eine Fälscherwerkstatt entdeckt." Auf einem Acker nahe der Ortschaft Raguth (Landkreis Ludwigslust-Parchim) entdeckte ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger mehrere Silbermünzen, von denen einige noch den Guss-Kanal am Rand aufweisen. Besonders spannend aus Sicht der Experten: Der Silbergehalt der Nachahmungen ist höher als bei den Originalen. "Von dem Fundplatz werden wir mit Sicherheit noch mehr hören", ist der Archäologe sicher.

Wurden einst Sklaven gehandelt?

In der Nähe von Groß Strömkendorf (Landkreis Rostock) wurde im Februar ein kleiner Beschlag mit Resten von Vergoldung aus dem 7./8. Jahrhundert entdeckt ­– eine Kostbarkeit der damaligen Zeit. Er lag etwas abseits des bisher bekannten slawischen Handelsplatzes, der aus Schriftquellen als das alte Rerik bekannt ist. "Der Platz war wohl deutlich größer als die drei Häuserzeilen, die bisher bekannt waren", schlussfolgert Jantzen. Auch habe er wohl länger existiert als bislang angenommen.

In der Nähe slawischer Handelsplätze, zu denen etwa auch Ralswiek auf Rügen und Menzlin bei Anklam gehörten, sowie an Handelsrouten würden auch immer wieder arabische Silbermünzen entdeckt. "Es wurden in den letzten Jahren etliche der sogenannten Hacksilber-Schätze gefunden." Das seien in der Slawenzeit erhebliche Werte gewesen. Ob für Felle, Holz und Bernstein solche Summen ausgegeben wurden, sei fraglich.

In der Gesamtheit kristallisiere sich die Erkenntnis immer deutlicher heraus, dass wohl auch Sklaven gehandelt wurden. "Bislang wurden auch etwa zehn sogenannte Sklavenfesseln in Mecklenburg-Vorpommern gefunden, das sind eiserne Fußfesseln aus der Zeit zwischen 1000 und 1200", berichtet Jantzen. In anderen Teilen Norddeutschlands sei das viel seltener, weshalb die Fesseln häufig für Ausstellungen ausgeliehen würden.

Fürstliches Schmuckstück aus der Völkerwanderungszeit

Das Fragment einer kostbaren Gewandfibel spürte einmal mehr ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger mit Hilfe eines Metalldetektors auf. In der Nähe von Zierow (Landkreis Nordwestmecklenburg) schlug im April das Gerät bei einer seiner regelmäßigen Feldbegehungen an.

Das edle Stück, das Experten auf die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts datieren, besteht aus einer rechteckigen Platte mit aufwendigem Kerbschnittmuster, das eine Goldblechauflage hat. Rote Halbedelsteine (Almandine) setzen ein Highlight und darunter schimmert eine mit Mustern geprägte Goldfolie durch, wenn man das Stück gegen das Licht hält.

"Es stammt wohl aus einer fränkischen oder mitteldeutschen Werkstatt", sagt Jantzen nach Konsultationen mit einem Kollegen von der römisch-germanischen Kommission in Frankfurt am Main. "Trotz intensiver Nachsuche am Fundort wurden die fehlenden Teile der Fibel leider nicht gefunden", bedauert er.

Hortfunde aus der Bronzezeit

Seit die ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger für den Einsatz von Metalldetektoren geschult werden, werden deutlich mehr Metall-Funde gemacht. Auch für die Bronzezeit im heutigen Mecklenburg-Vorpommern ergeben sich daraus neue Erkenntnisse, sagt Jantzen. Allein in diesem Jahr wurden einige sogenannte Hortfunde mit mehreren zusammengehörenden Teilen entdeckt:

Auf einem Campingplatz bei Lärz (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) wurden beispielsweise Ringe und Metallbesätze einer bronzezeitlichen Tracht mit einem Gesamtgewicht von rund zwei Kilogramm geborgen. Sie waren wohl eine Selbstausstattung für das Jenseits, vermutet der Landesarchäologe.

Bei Walow, ebenfalls im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, wurden nach ersten Funden aus dem Jahr 2018 jetzt weitere dazugehörige Bronzestücke aus dem Boden geholt: 17 Tutuli genannte große bronzene Schmuckbesätze, die wie Hütchen aussehen. Insgesamt seien bei Walow nunmehr 39 Tutuli und drei Bronzeringe geborgen worden, sagt Jantzen. "Wir konnten nicht mehr feststellen, wie die Sachen ursprünglich im Boden lagen, der Pflug hat den Zusammenhang stark gestört. Aber wir sind sicher, dass wir den Hortfund jetzt komplett haben."

In der Nähe von Hanshagen (Landkreis Vorpommern-Greifswald) fanden sich, verstreut auf einem Feld wohl durch jahrelanges Pflügen, Reste eines reich verzierten Bronzebeckens sowie Zierbleche eines Pferdegeschirrs. "Im unteren Peeneraum gibt es ein intensives bronzezeitlichen Hortfund-Geschehen", erzählt Jantzen. Durch die Region sei ein großer Teil des Bronzetransports aus dem ostalpinen Raum nach Skandinavien verlaufen.

Archäologie als Bürgerwissenschaft

Die rund 200 ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger leisten Entscheidendes für die Landesarchäologie, wie Jantzen sagt. "Jährlich machen sie etliche Hundert Funde." Diese reichen von steinzeitlichen Pfeilspitzen bis zu Gold- und Silbermünzen. "Das Interesse an der Archäologie als Bürgerwissenschaft ist groß", freut sich Jantzen. Allein in diesem Jahr hätten 70 Menschen an den Einstiegslehrgängen und 45 an Fortbildungskursen teilgenommen – trotz Corona.

Die Ehrenamtlichen seien auch unentbehrlich für den Schutz der Bodendenkmale. Durch regelmäßige Begehungen in ihrem Gebiet fallen ihnen laut Jantzen Raubgrabungen – die es leider auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt – auf. Mehrere Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gegen Raubgräber habe es in diesem Jahr gegeben. "Das sind unschöne Sachen. Durch Raubgrabungen gehen Fundzusammenhänge und Geschichte für uns alle verloren."

Der schönste Fund des Jahres

Der aus Sicht des Landesarchäologen schönste Fund des Jahres sind 75 Münzen und Münzfragmente aus Silber aus der Zeit des 30-jährigen Krieges. Sie wurden im Oktober bei Oldenstorf (Landkreis Rostock) gefunden. "Es war eine Zeit großer Unsicherheit, da vergrub man sein Geld", sagt er. "Das scheint auch hier passiert zu sein." Die zum Teil sehr gut erhaltenen Münzen datieren aus der Zeit um 1630. Sie wurden aus dem Aushub eines Entwässerungsgrabens geborgen.

Mindestens genauso schön sind Goldmünzen aus dem Mittelalter, die bei Wittenburg (Landkreis Ludwigslust-Parchim) und Neubukow (Landkreis Rostock) entdeckt wurden. Sie wurden im Erzbistum Köln beziehungsweise in den Niederlanden geprägt. "Solche Goldgulden waren damals die Reisewährung in Europa", sagt Jantzen.

Iris Leithold (dpa)