Gurken und Tomaten fallen in klares Wasser.
mauritius images / K.-U. Häßler

Nachhaltigkeitsziele
Studie offeriert drei nachhaltige Entwicklungspfade

Es gibt drei Wege, die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, so eine Studie. Die Bundesregierung setzt bei der Weltnaturkonferenz auf Biodiversität.

30.10.2024

Nachhaltige Lebensstile, grüne Technologie-Innovationen und von der Politik getragene Transformation bieten drei vielversprechende Wege, um deutliche Fortschritte bei den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) und dem Pariser Klimaabkommen zu erzielen. Das zeigt eine neue Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Das Forschungsteam untersuchte, wie verschiedene Strategien Konsum und Produktion verändern. Ziel sei es gewesen, Entwicklungspfade für ein gutes Leben im Sinne der Nachhaltigkeit zu identifizieren.

"Nachhaltige Entwicklungspfade sind Strategien, die gefährlichen Klimawandel verhindern und gleichzeitig darauf hinarbeiten, dass alle Menschen auf einem intakten Planeten gut leben können", erklärt Dr. Björn Sörgel, Wissenschaftler am PIK und Hauptautor der in "Environmental Research Letters" am 30. Oktober veröffentlichten Studie. 

"Unsere Analyse zeigt, dass alle drei nachhaltigen Entwicklungspfade dabei weitaus wirksamer sind als das derzeitige 'Business as usual'", führt Sörgel weiter aus. Nachhaltige Lebensstile, grüne Technologie und von der Politik getragene Transformation erreichten einen erheblichen Fortschritt bei den SDGs, zum Beispiel eine Reduzierung der extremen Armut um zwei Drittel bis 2030 und auf nahezu Null bis 2050. Sie würden gleichzeitig die globale Erwärmung stoppen und weitere Umweltzerstörung verhindern. Sie würden auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen von zu einfach gedachten Klimaschutzstrategien vermeiden, beispielsweise "eine starke Abhängigkeit von Bioenergie oder CO₂-Speicherung – denn dies birgt Konfliktpotenzial in Bezug auf die Nahrungsmittelproduktion oder die öffentliche Akzeptanz", erläutert Nachhaltigkeitsforscher Sörgel. 

Pfad mit Fokus auf nachhaltigem Lebensstil zeigt bestes Ergebnis 

In der Studie betrachten die Forschenden drei mögliche Entwicklungspfade, um die 17 Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die UN-Nachhaltigkeitsziele werden von Regierungen, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als richtungsweisend für eine nachhaltige und gerechte Zukunft angesehen. Die Studie sei die erste, die derart unterschiedliche Nachhaltigkeitspfade systematisch vergleicht. 

"Der Pfad mit Fokus auf nachhaltigen Lebensstil umfasst beispielsweise eine rasche Umstellung auf eine flexitarische, größtenteils pflanzenbasierte Ernährung."
Dr. Isabelle Weindl, Wissenschaftlerin am PIK

"Alle Szenarien, die wir untersucht haben, verfolgen dieselben Ziele – die Frage ist jedoch, wie man diese erreicht", erklärt Dr. Isabelle Weindl, Wissenschaftlerin am Potsdamer Institut und Mitautorin der Studie. Sie betont, dass jeder der untersuchten Pfade besondere Stärken, aber auch besondere Herausforderungen aufweist. "Der Pfad mit Fokus auf nachhaltigen Lebensstil umfasst beispielsweise eine rasche Umstellung auf eine flexitarische, größtenteils pflanzenbasierte Ernährung, die bekanntermaßen auch erhebliche Vorteile für die Gesundheit hat." 

Dieser Pfad würde zudem eine Reduzierung des weltweiten Endenergieverbrauchs pro Kopf um rund 40 Prozent bis 2050 umfassen. Wohlhabende Länder würden dabei den größten Beitrag leisten, um die ungleiche Verteilung des Energieverbrauchs zu verringern. Solche Veränderungen könnten jedoch in Bezug auf ihre Umsetzbarkeit herausfordernd sein, merken die Forschenden an. Gleichzeitig würden sie aber auch große Vorteile mit sich bringen, wie Sörgel ergänzt: "Der Pfad mit einem Schwerpunkt auf nachhaltige Lebensstile weist die geringste Abhängigkeit von unerprobten Technologien auf und führt zudem zum besten Ergebnis bei Biodiversität und Klimaschutz." 

Die anderen Pfade sehen eine weniger starke Veränderung bei Ernährung und Energieverbrauch vor, setzen jedoch verstärkt auf Innovationen bei grünen Technologien oder eine stärkere Steuerung der Transformation durch die Regierungen – was jeweils eigene Herausforderungen mit sich bringe. "Auch wenn die Pfade unterschiedliche Schwerpunkte setzen, können sie alle zum Ziel führen", sagt Professor Elmar Kriegler, Leiter der Forschungsabteilung Transformationspfade am PIK und Co-Autor der Studie. "Das ist wichtig, da der Weg zur nachhaltigen Entwicklung oft nur aus der Perspektive einer bestimmten Weltanschauung gedacht wird, was es erschwert, eine gemeinsame Basis zu finden." 

"Wir können noch wählen, welchen der Nachhaltigkeitspfade wir einschlagen, aber sie zu ignorieren, ist keine Option mehr."
Professor Elmar Kriegler, Leiter der Forschungsabteilung Transformationspfade, PIK 

Kriegler fasst zusammen: "Wenn wir unseren derzeitigen Kurs beibehalten, wird keines der Nachhaltigkeitsziele erreicht. Bis 2030 könnten noch 660 Millionen Menschen weltweit in extremer Armut leben, und Krisen wie der Verlust der Biodiversität und die globale Erwärmung werden sich weiter verschärfen. Jetzt ist die Zeit zu handeln. Wir können noch wählen, welchen der Nachhaltigkeitspfade wir einschlagen, aber sie zu ignorieren, ist keine Option mehr." 

Deutsche Regierung mit Strategie bei Weltnaturschutzkonferenz 

Während die Potsdamer Klimaforschenden Politik und Gesellschaft zum raschen Kurswechsel Richtung Nachhaltigkeit auffordern, hat im kolumbianischen Cali am 21. Oktober die 16. UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt (COP16) begonnen. Bis zum 1. November wollen die Vertreterinnen und Vertreter der 196 Vertragsstaaten weitere konkrete Schritte zur Umsetzung des globalen Naturschutzabkommens von Montreal ausarbeiten. "Das ist die COP der Umsetzung", sagte die kolumbianische Umweltministerin Susana Muhamad. 

Vor zwei Jahren verpflichteten sich die Staaten in Kanada auf eine Reihe von Zielen, die bis 2030 erreicht werden sollen. Beispielsweise wurde vereinbart, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen und die Investitionen in den Schutz der Artenvielfalt zu erhöhen. 

"Ich freue mich sehr, dass ich auf meinem Weg zur Weltnaturschutzkonferenz in Kolumbien nun die Nationale Biodiversitätsstrategie 2030 im Gepäck habe", sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Freitag gegenüber der Deutschen Presseagentur. "Wir müssen die Natur entlasten und sie dort, wo sie bereits geschädigt wurde, wieder reparieren. Das ist das Ziel der Nationalen Biodiversitätsstrategie 2030." Der erste Aktionsplan sieht unter anderem die Schaffung grüner Naturoasen in Städten, die Renaturierung von Auen und den Aufbau einer grünen Infrastruktur aus zusammenhängenden Wald-, Moor- und Auen-Flächen vor. 

Naturschutzorganisationen halten Pläne für unzureichend 

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßt die neue Strategie zwar grundsätzlich, sieht aber Überarbeitungsbedarf. "Es ist gut, dass Deutschland eine neue Biodiversitätsstrategie vorgestellt hat, doch damit diese Strategie einen tatsächlichen Beitrag zum Schutz der Natur leistet, braucht sie rechtliche Verbindlichkeit", sagte Greenpeace-Naturschutzexperte Jannes Stoppel. 

Der Umweltverband BUND hat indes Verfassungsbeschwerde gegen die Naturschutzpolitik der Bundesregierung eingereicht. Die entsprechenden Dokumente seien am 22. Oktober bei den Richterinnen und Richtern in Karlsruhe eingegangen, teilte der Verband in Berlin mit. Mit der Beschwerde will die Naturschutzorganisation die Ampel-Regierung dazu zwingen, ein "umfassendes gesetzliches Konzept" zum Schutz der Artenvielfalt vorzulegen und den Verlust von Arten umgehend zu stoppen.

Webtool zur Studie

Begleitend zur PIK-Nachhaltigkeits-Studie wurde ein Webtool veröffentlicht, in dem der Datensatz der verschiedenen Szenarien visualisiert und heruntergeladen werden kann.

cva/dpa