Altorientalistik
Tausende Keilschrift-Fragmente mithilfe von KI digitalisiert
Münchner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben am Freitag eine Datenbank der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die alle bislang bekannten Abschriften von Keilschrift-Fragmenten aus dem Mesopotamien des ersten Jahrtausends vor Christus beinhaltet. Projektleiter und Altorientalist Professor Enrique Jiménez von der Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) in München hat die KI-Datenbank und eine digitale Edition im Rahmen einer Fachtagung veröffentlicht, wie die Hochschule mitteilt. Mit mehr als 300.000 Textzeilen, die meisten davon bislang unveröffentlicht, sei es die bisher größte Textveröffentlichung in der Geschichte der Keilschriftstudien.
Seit 2018 haben die Forschenden demnach an der Digitalisierung der Tontafeln mit Keilschrift gearbeitet. Ziel des Projekts "Electronic Babylonian Literature" sei es, sämtliche überlieferten Keilschrifttafeln aus Babylonien zu digitalisieren.
Algorithmus verbindet Fragmente
Viele Tafeln seien nur noch in Form unzähliger Bruchstücke vorhanden. Um diese Teile miteinander zu verbinden, habe das Team einen Algorithmus entwickelt, erläuterte Jiménez. "Es ist ein Werkzeug, das zuvor nie existiert hat, eine riesige Datenbank von Fragmenten. Wir glauben, dass sie wesentlich für die Rekonstruktion der babylonischen Literatur ist, bei der wir nun viel schneller vorankommen können." Hunderte Manuskripte und viele textliche Verbindungen habe der Algorithmus bereits neu identifiziert.
Seit Projektstart haben etwa 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit Zugang zu der Online-Plattform und nutzen sie bereits für Forschungsprojekte. Neben den Textfragmenten enthält die Datenbank auch vollständige elektronische Gesamtausgaben bedeutender Texte wie des Schöpfungsepos und des Gilgamesch-Epos. Auch eine komplette Zeichenliste und ein akkadisches Wörterbuch sind über die Datenbank "Electronic Babylonian Literature" zugänglich.
In Zukunft solle das Programm zudem Fotos von Keilschriften erkennen und abschreiben können. Dafür sind bereits in Zusammenarbeit mit dem British Museum in London und dem Iraq Museum Baghdad Tausende weitere Keilschriftfragmente fotografiert worden, wie die LMU mitteilt. Diese Fotos sind demnach ebenfalls mit der Publikation des Projekts veröffentlicht worden.
cpy/dpa