Nachaufnahme des Weißbauch-Uferwippers, ein vom Aussterben bedrohter Vogel in Peru.
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Biodiversitätsforschung
Über den sprachlichen Tellerrand geschaut

Nicht-englischsprachige Publikationen finden oft nur wenig Beachtung. Ein internationales Forschungsteam zeigt, was dabei verloren gehen kann.

08.10.2021

Die Konzentration auf englischsprachige Publikationen zum Thema Biodiversität wirkt sich negativ auf die Forschung und damit den Artenschutz aus. Das zeigt eine aktuelle Studie unter Leitung der Universität Queensland. Demnach gibt es weltweit mehr Publikationen, die die Effektivität von Konservierungsmaßnahmen zeigen, als bislang beachtet. Auch seien nicht alle relevanten Informationen bereits in englischsprachigen Veröffentlichungen zugänglich und die Zahl nicht-englischer Publikationen zum Thema nehme stetig zu. Dies widerlege drei von vier Annahmen über nicht-englischsprachige Publikationen zum Thema Biodiversität, so die Forschenden. Sie fanden mehr als 1.000 relevante nicht-englischsprachige wissenschaftliche Studien, die funktionierende Maßnahmen zur Bewahrung der Biodiversität zeigen. Diese Studien enthielten Wissen über Spezies und Regionen, zu denen es keine oder kaum Veröffentlichungen auf Englisch gebe. Die Forschenden folgern, dass wissenschaftliche Arbeiten in anderen Sprachen, die bisher kaum Beachtung finden, helfen können, die biologische Vielfalt der Erde besser zu schützen.

Eine gängige Annahme über nicht-englischsprachige Publikationen bestätigten die Forschenden jedoch: Das Studiendesign war bei diesen durchschnittlich weniger robust als bei englischsprachigen Studien, allerdings habe es auch nicht-englischsprachige Studien gegeben, die sehr professionell aufgebaut waren (vor allem in portugiesischer Sprache). Es sei außerdem nicht ratsam, die wissenschaftlich qualitativ schlechteren Studien zu übergehen, da so Wissen verloren gehe.

Der Zugewinn in Zahlen

Die Forschenden haben versucht, den Zugewinn an Wissen durch nicht-englischsprachige Publikationen zu quantifizieren: Werde Naturschutzforschung in anderen Sprachen berücksichtigt, steige die geografische Fläche, die diese Forschung weltweit abdeckt, um 25 Prozent. Die Erkenntnisse über den wirksamen Schutz von Tierarten nähmen ebenfalls zu: Die Zahl der erforschten Arten steige bei Amphibien um fünf Prozent, bei Säugetieren um neun Prozent und bei Vögeln um 32 Prozent. Es seien wirkungsvolle Schutzmaßnahmen für den Erhalt von neun Amphibienarten, 64 Säugetierarten und 217 Vogelarten erforscht worden, die für die internationale Wissenschaft sprachlich unerreichbar waren. Nun werden die Ergebnisse weltweit zugänglich gemacht und in eine Datenbank eingepflegt. Die Datenbank werde Zusammenfassungen der geprüften und den Kriterien entsprechenden Studien in 16 Sprachen enthalten.

Die Studie ergebe, dass ein Großteil der Forschung in nicht-englischen Sprachen aus besonders artenreichen Regionen wie Lateinamerika stammt, wo die Biodiversität stark gefährdet ist. Teilweise enthielten die Studien auch indigenes Wissen, das keinen Eingang in englische Publikationen fände und das laut der deutschen Mitautorin Dr. Kerstin Jantke von der Universität Hamburg nicht verschenkt werden sollte.

Für ihre Studie filterte das Forschungsteam 420.000 Studien aus nicht-englischsprachigen Fachzeitschriften aus den Bereichen Ökologie und Naturschutz. Daraus wählten sie 1.234 Studien aus, die die Kriterien für eine qualitativ geprüfte und wirksame Maßnahme zum Erhalt von Arten erfüllten. Diese Studien waren in 16 Sprachen verfasst und stammten aus 38 Regionen der Welt, wurden von Muttersprachlern gelesen und ausgewertet. 65 deutschsprachige Arbeiten erfüllten die Kriterien. Zum Vergleich identifizierten die Forschenden 4.412 englischsprachige Studien, die ebenfalls den Kriterien entsprachen, wie sie schreiben.

cpy