Eine Frau tippt etwas in einen Laptop
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Sozialforschung
Universität plant Archiv für qualitative Forschungsdaten

Die Universität Bremen will qualitative Forschungsdaten überregional speichern und zugänglich machen. Renommierte Institute liefern die Infrastruktur.

08.05.2018

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der qualitativen Sozialforschung sollen ihre Daten künftig überregional speichern und austauschen können. Die Universität Bremen plant dafür ein nationales Datenservicezentrum (DSZ). Angesiedelt wird dieses am Socium – Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können dorthin kommen, um Daten zu recherchieren oder online auf eine Datenbank zugreifen.

Die Projektleiterin Professorin Betina Hollstein spricht von einem Meilenstein für die Archivierung qualitativer Forschungsdaten. "Mit dem Ausbau von 'Qualiservice' zu einer nationalen Einrichtung haben wir die Möglichkeit, ein effizientes und qualitativ hochwertiges Forschungsdatenmanagement für Hochschulen und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland zu betreiben", sagt sie.

Bislang gebe es kaum Möglichkeiten, qualitative Daten, wie biografische Interviews oder Experteninterviews, nach Projektabschluss langfristig und sicher zu archivieren. Dagegen seien Datenservicezentren für quantitative Daten schon lange fest etabliert. "Qualitative, also textförmig vorliegende Daten sind in der Regel nur wenig standardisiert und stellen vor allem in datenschutzrechtlicher und forschungsethischer Hinsicht eine besondere Herausforderung dar.", so Hollstein.

Von anderen Forschern lernen und eigene Bekanntheit steigern

Verwaltet werden sollen die Daten über das komplexe Archiv "Pangaea" von Marum – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen und dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Knapp 375.000 Datensätze von 280 Projekten der Geo- und Umweltwissenschaften sind darin bereits gespeichert.

Von dem Angebot profitierten die Forscher einer Studie ebenso wie andere Sozialwissenschaftler. "Häufig möchten Förderinstitutionen, dass eine Forscherin oder ein Forscher die Daten zu einer Studie über geschützte Archive wie von 'Qualiservice' zugänglich macht", sagt Projektmitarbeiterin Susanne Kretzer. Sie betont dabei, dass lediglich die Metadaten online zu sehen seien. Die Forschungsdaten würden erst nach Abschluss einer Nutzungsvereinbarung von "Qualiservice" herausgegeben. Dafür müssten Interessierte sich als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler eines anerkannten Forschungsinstituts ausweisen. Bürgerinnen und Bürgern stehe die Datenbank also nicht zur Verfügung.

Ein weiterer Vorteil sei, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bekannter würden und ihre Studien aktuell hielten, wenn sie ihre Daten zur Verfügung stellten, sagt Kretzer: "Andere Forschende werden auf Forschungsarbeiten aufmerksam, greifen Themen auf und verfolgen sie weiter."

Als Wissenschaftler könne man darüber hinaus von anderen Arbeiten lernen – etwa, wie man am besten wissenschaftliche Interviews führt. "Auch kann ein solches Archiv Diskussionen unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anstoßen und damit die Qualität der Forschung steigern", sagt sie. 

Vertrauliche Datenaufbereitung soll gesichert sein

Forschende können festlegen, unter welchen Bedingungen auf ihre Daten zugegriffen werden darf. So können sie zum Beispiel ein bestimmtes Datum vorgeben, ab dem man sie anfordern kann. Das kann interessant sein, wenn sie ihre Ergebnisse noch nicht veröffentlicht haben. Auch können Wissenschaftler etwa ausschließen, dass bestimmte Daten in der Lehre verwendet werden dürfen. Darüber hinaus definiere auch das Projektteam in einer Übergabevereinbarung Bedingungen für die Verwendung der Daten.

Sensible Daten sollen besonders geschützt werden. Geplant ist ein sogenanntes "Safe Center", das Daten vertraulich aufbereitet. Wollen Forschende auf diese zugreifen, müssen sie vor Ort an einem der Rechner im Zentrum arbeiten. 

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt das Projekt "Qualiservice" mit einer Million Euro über drei Jahre. Weitere Projektpartner sind die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (SuUB) und das Gesis Leibniz Institut für Sozialwissenschaften, Köln. Am 1. August 2018 beginnen die Projektarbeiten. Erste Datensätze aus der qualitativen Sozialforschung können bei der  Universität Bremen schon jetzt aufbereitet angefordert werden.

kas

aktualisiert am 08.05.2018, 12:10 Uhr