

Psychologie
Was macht uns großzügig?
"Abstinent, betend und großzügig gehen wir auf Ostern zu", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing Anfang März über die Bedeutung der Fastenzeit. So meldet es die DBK. Mit "großzügig" ist an dieser Stelle nicht gemeint, dass die Ostergeschenke besonders üppig ausfallen sollen. Vielmehr spricht er sich für eine als "weitherzige" Hinwendung zu den Mitmenschen aus. Durch Mitgefühl soll bereits in der österlichen Fastenzeit ein Schritt getan werden in Richtung eines gemeinschaftlichen Lebens. Doch was macht uns allgemein großzügig? Gibt es Gehirnbereiche, die altruistisches Verhalten steuern? Diesen Fragen sind Forschende der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Universitäten Lausanne, Utrecht und Kapstadt nachgegangen.
Die basolaterale Amygdala (BLA), ein Teil des limbischen Systems, spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie erlaubt das Kalibrieren des sozialen Verhaltens. Mit ihr können Menschen den Grad ihrer Großzügigkeit in Abhängigkeit davon regulieren, wie nah oder fern eine Person ihnen emotional ist. Das haben die Forschenden durch eine besondere Patientengruppe in Südafrika herausfinden können. Die Gruppe leidet an einem Syndrom, bei dem die BLA geschädigt ist, ohne dass andere Hirnregionen beeinträchtigt sind, wie die Forschenden in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) beschreiben.
"Es war eine einmalige Gelegenheit, vor Ort mit einer Patientengruppe zu arbeiten, die an dem äußerst seltenen 'Urbach-Wiethe-Syndrom' leidet", erläutert Professor Tobias Kalenscher, Leiter der Arbeitsgruppe "Vergleichende Psychologie" an der HHU und Erstautor der Studie die Studienumgebung in einer aktuellen Mitteilung seiner Hochschule. Vom Urbach-Wiethe-Syndrom Betroffene haben demnach ein verändertes Gefühlleben und Sozialverhalten. Insgesamt seien weltweit weniger als 150 Fälle bekannt, eine größere Gruppe von ihnen lebe in Namaqualand im Norden Südafrikas.
Nicht nur Erziehung und Kultur prägen soziale Entscheidungen
Im Rahmen ihrer Stude haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Auftrag bekommen, Geldbeträge zu verteilen. Dabei hätten sie entscheiden können, wie viel Geld sie den anderen Menschen – darunter enge Freunde, Bekannte, Nachbarn und Fremde – geben wollen. Menschen mit BLA-Schädigung waren demnach gegenüber nahestehenden Personen genauso großzügig wie gesunde Kontrollpersonen. Bei Personen, zu denen sie eine geringere emotionale Bindung hatten, verhielten sie sich jedoch auffallend egoistischer. Die BLA sei demnach nicht grundsätzlich notwendig für großzügiges Verhalten. Aber sie helfe, den Grad der Großzügigkeit abhängig von der sozialen Distanz einer Person zu regulieren. Ohne sie dominiere die Tendenz, das eigene Wohl über das Wohl anderer zu stellen. Damit handelten die betroffenen Personen tendenziell egoistischer. Nur eine große emotionale Nähe – wie die zu besten Freunden – zwinge zu mehr Großzügigkeit oder Mitgefühl.
Ihre Studienergebnisse erklären laut Autorenteam die biologischen Grundlagen für das menschliche Sozialverhalten. "Soziale Entscheidungen sind nicht nur von unserer Erziehung oder Kultur geprägt, sondern sie sind auch tief in den Mechanismen unseres Gehirns verankert", so Kalenscher laut Mitteilung. "Vielleicht wird es in Zukunft möglich sein, gezielte Therapien zu entwickeln, um Menschen mit sozialen Verhaltensauffälligkeiten zu helfen, ihre Entscheidungsprozesse besser zu steuern." Die Erkenntnisse könnten auch erlauben, andere Erkrankungen wie Autismus oder Psychopathie besser zu verstehen – Krankheiten, bei denen das soziale Verhalten der Menschen oft von dem als "normal" betrachteten Verhalten abweicht.
cpy