Das Bild zeigt eine Person mit einer Papiertüte über dem Kopf, auf der chaotische Linien zu sehen sind.
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Psychische Gesundheit
Wie Angst und Furcht im Gehirn entstehen

Die emotionale Aktivierung des Gehirns bewirkt, dass beängstigende Erlebnisse abgespeichert werden. Sie trägt aber wohl auch zur Angstentstehung bei.

05.08.2024

Schweißausbrüche, Herzrasen, Atemnot – nicht nur Angstpatientinnen und -patienten dürften solche körperlichen Reaktionen auf Angstzustände kennen. Ausgelöst werden diese durch die Amygdala, ein tiefliegendes, mandelförmiges Areal im Gehirn. Dr. Matthias Sperl, Psychotherapeut für Kognitive Verhaltenstherapie an der Universität Siegen, konnte mit seinem Team eine Wechselwirkung des präfrontalen Cortex und der Amygdala nachweisen. Für seine Forschung wurde der Nachwuchswissenschaftler nun mit dem Early Career Award der Deutschen Gesellschaft für Psychophysiologie und ihre Anwendung (DGPA) ausgezeichnet.

"Wir gehen davon aus, dass der präfrontale Cortex die Amygdala ein Stück weit reguliert, also hoch und runter schaltet", erklärt Sperl. "Es gibt einen Bereich im Gehirn, der wie ein Gaspedal draufdrückt, wenn wir Furcht haben. Ein anderer Bereich daneben hemmt die Furcht wie ein Bremspedal, wenn die Gefahr vorbei ist." Ausgangspunkt des durchgeführten Experiments war die Frage, warum sich Menschen so gut an beängstigende Erlebnisse erinnern können. Das Team um Sperl nahm einen Zusammenhang mit der hohen emotionalen Aktivierung im Gehirn ("Arousel") an. Dabei kommt es zur Ausschüttung des Botenstoffs Noradrenalin, der auf die Amygdala wirkt. Sperl vermutet, dass ein starkes Arousel – ein "Hyperarousel" – auch zur Angstentstehung beiträgt.

Furchtkonditionierung an Testpersonen

Um die Wechselwirkung zwischen präfrontalem Cortex und Amygdala nachweisen zu können, führte das Team um Sperl eine Furchtkonditionierung an Testpersonen durch: Sie wurden mehrfach einem unangenehmen Reiz ausgesetzt. Zur Überwachung körperlicher Reaktionen kamen bildgebende MRT-Untersuchung und EEG-Messung gleichzeitig zum Einsatz. "Zeitliche Präzision und schnelle Prozesse sind bei Angst und Furcht extrem wichtig", so Sperl. Danach wurde überprüft, welchen Einfluss das Arousel auf die erlernte Angst hat. Einem Teil der Testpersonen wurde Yohimbin verabreicht, wodurch der Botenstoff Noradrenalin freigesetzt wird. Sie wiesen eine deutlich stärkere Angstreaktion auf. Das Forschungsteam geht davon aus, dass ein "Hyperarousel" entstanden war, was sich vor allem in einer veränderten Verarbeitungsgeschwindigkeit im Gehirn und der Herzfrequenz niederschlug.

Im Hinblick auf zukünftige Therapieansätze möchte Sperl nun vor allem auf Prävention setzen: "Wir müssen überlegen, was wir tun können, um mit diesem Hyperarousal umzugehen, das oft automatisch in Stresssituationen entsteht. Wenn wir davon ausgehen, dass wir dadurch bedrohliche Inhalte besser abspeichern – wie können wir diesem Abspeicherungsprozess in unerwünschten Situationen entgegenwirken?"

hes