Gesicht eines Mannes mit Kopf in einer Gedankenwolke
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Neurowissenschaften
Wie Gedanken unser Urteil verändern

Menschen sind in der Lage, sich Ereignisse lebhaft vorzustellen und daraus zu lernen. Eine Studie entschlüsselt dieses Phänomen auf emotionaler Ebene.

21.05.2019

Nicht nur das tatsächlich Erlebte, auch reine Vorstellungen von hypothetischen Ereignissen können unsere emotionalen Einstellungen positiv oder negativ beeinflussen. Das geht aus einer Studie des Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und der Harvard University hervor.

Mit der Studie wollten die Neurowissenschaftler besser verstehen, wie Menschen nur durch ihre Vorstellungskraft Dinge erleben und von dem Vorgestellten genauso lernen wie durch tatsächlich Erlebtes. Das könne helfen, Entscheidungen zu treffen oder Risiken zu vermeiden, wie das Max-Planck-Institut mitteilte.

Während die Teilnehmer der Studie im MRT-Scanner lagen, stellten sie sich vor, wie sie mit einer von ihnen sehr gemochten Person an einem Ort, den sie als neutral einschätzen, Zeit verbringen und interagieren. Nach dem Scannen konnten die Forscher zeigen, dass sich die Einstellung der Studienteilnehmer gegenüber den Orten verändert hatte: Sie mochten die Orte lieber als zuvor. "Wir übertragen den emotionalen Wert, den diese Person für uns besitzt, auf diesen Ort. Und dabei müssen wir das Ganze nicht einmal in Wirklichkeit erlebt haben", fasst Mitautor Professor Daniel L. Schacter zusammen.

Neurologische Verknüpfungen verändern die emotionale Einstellung

Den neuronalen Mechanismus dahinter untersuchten die Forscher anhand der MRT-Daten. Wenn die Probanden an eine geliebte Person dachten, sahen die Wissenschaftler verstärkte Aktivität in einer Region im vorderen Hirnbereich, dem ventromedialen präfrontalen Kortex. Dort laufen nach Einschätzung der Experten Informationen über unsere Umwelt aus dem ganzen Gehirn zu einem Gesamtbild zusammen – einer Repräsentation der Person oder des Ortes inklusive persönlicher Bewertung.

Während des vorgestellten Szenarios wurden in der Hirnregion der Probanden sowohl die Repräsentation der Person als auch des Ortes aktiv. "Hierdurch kann es zu Verknüpfungen zwischen diesen Repräsentationen kommen – der positive Wert der Person wird somit auf den vorher neutralen Ort übertragen", erklärt Dr. Roland Benoit, Erstautor der Studie.

Der nächste Schritt könne sein, auch die Kraft negativer Gedanken zu erforschen: Welche Folgen dieser Mechanismus etwa für Menschen hat, die sich tendenziell negative Vorstellungen von ihrer Zukunft machen. "Menschen die etwa unter einer Depression leiden könnten auf diese Weise vielleicht auch eigentlich neutrale Dinge durch die Kraft der negativen Gedanken abwerten und somit für sich ein negatives Bild von der Welt erschaffen, so Benoit.

ckr