Volksrepublik China
Wie integer ist China in internationalen Forschungs-Kooperationen?
Die Kritik des nordamerikanischen Sicherheitsexperten Jeffrey Stoff ist scharf: Liberale Demokratien hätten sich nicht bemüht, die Praktiken der regimegesteuerten chinesischen Forschung zu verstehen. Chinesische Institutionen verletzten systematisch die Normen der internationalen Forschung und es gebe keine Kriterien, um die möglichen Risiken einer Zusammenarbeit zu bewerten. So schreiben es Stoff und sein Team in der vergangene Woche erschienenen Studie "Transparency and Integrity Risks in China’s Research Ecosystem".
Stoff und sein Team erläutern, inwiefern die Ideale guter wissenschaftlicher Arbeit missachtet würden. Das Autorenteam zählt auf, dass die Webseiten von chinesischen Forschungsinstitutionen außerhalb der Volksrepublik nicht aufrufbar seien oder zentrale Inhalte, die die Institution beschreiben, im Vergleich zu Archivversionen der Webseite fehlten. Auch gebe es inhaltliche Unterschiede zwischen englischsprachigen Internetpräsenzen und chinesischen – etwa, indem Labore und Fachbereiche weggelassen würden oder dadurch, dass irreführende oder falsch übersetzte Namen für Organisationseinheiten verwendet würden. So könnten die staatlichen Affiliationen von Forschenden ebenso verschleiert werden wie Interessenskonflikte und die Herkunft von Finanzierungsgeldern.
Gefahr von Dual Use zu Rüstungszwecken
Ein Beispiel der Studie ist das "China Aerodynamics Research and Development Center" (CARDC), dessen Webseite für Zugriffe aus den Vereinigten Staaten von Amerika und aus Kanada gesperrt sei. Die Affiliation der Hochschule mit den Streitkräften der Volksrepublik China sei in keiner englischsprachigen Quelle oder Veröffentlichung genannt. Währenddessen erforsche und entwickle die Hochschule Hyperschallwaffen für das chinesische Militär. Artikel, die internationale Forschende unter Mitarbeit von Autorinnen und Autoren der Hochschule veröffentlicht hätten, erwähnten diese militärischen Verbindungen nicht. Zwischen 2018 und Februar 2024 haben zahlreiche internationale Forschungseinrichtungen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Hochschule kooperiert, so Stoff und sein Team. Sie listen neben 70 Kooperationen im Vereinigten Königreich und 51 in den USA auch 17 in Deutschland auf.
China – Schwerpunkt in Forschung & Lehre
Weitere Berichte über die Wissenschaftsbeziehungen von Deutschland und Europa mit China finden Sie im Themenschwerpunkt "China" von Forschung & Lehre.
Bereits Anfang 2023 hatte das von Stoff gegründete "Center for Research Security & Integrity" mit seiner ersten Studie zu Forschungskooperationen zwischen deutschen und chinesischen Forschungsinstitutionen Wellen geschlagen. Auch Kooperationen in der Grundlagenforschung könnten Chinas militärischer Modernisierung dienen, schrieb er dort und zitierte zwölf Publikationen, die in Ko-Autorschaft von deutschen Forschenden mit Angehörigen des CARDC entstanden seien. Die erforschten Themen könnten über Dual Use auch für militärische Zwecke nützlich sein. Internationale Forschungskooperationen, die das chinesische Militär dabei unterstützen könnten, beispielsweise Hyperschallwaffen zu entwickeln, schreibt Stoff dort, stellten das höchste Sicherheitsrisiko dar, ähnlich wie die Forschung zu Massenvernichtungswaffen. Demokratische Länder müssten Richtlinien finden, die die Forschungszusammenarbeiten aus Sicherheitsgründen einschränken, je nachdem welche Institution auf chinesischer Seite beteiligt sei.
China als Ursprung betrügerischer Publikationen
Ein weiteres Themenfeld der neuen Studie sind betrügerische Publikationen. China sei der größte Produzent von Publikationen, die wegen Betrug zurückgezogen würden. Darunter seien Studien, die mit internationalen Mitautorinnen und -autoren hätten aufgewertet werden sollen, obwohl diese an der Publikation nicht beteiligt gewesen oder frei erfunden seien. Auch würden komplett gefälschte Paper veröffentlicht oder solche, in denen absichtlich falsche oder manipulierte Bilder und Daten verwendet würden.
Strategien zur Kontrolle
Die G7-Länder sollten zusammenarbeiten und Werkzeuge entwickeln, die Betrug erkennen können, fordern Stoff und sein Team. Forschungsinstitutionen müssten Maßnahmen finden, um vor einer Kooperation genau klären zu können, mit wem sie genau zusammenarbeiten.
Auf der deutschen Seite hat es entgegen Stoffs Vorwürfen verschiedene Bemühungen gegeben, die akademische Zusammenarbeit mit China zu strukturieren: Der Deutsche Akademische Austauschdienst etwa hat Mitte Januar dieses Jahres ein Empfehlungspapier für die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China veröffentlicht. Im Sommer 2023 hatte die Bundesregierung Leitlinien zum Umgang mit China veröffentlicht, die sogenannte "China-Strategie", in der es allerdings nur am Rande um die Wissenschaft ging. Auch die Konfuzius-Institute an deutschen Hochschulen stehen wie in anderen Ländern in der Kritik: Die Universitäten Trier und Hamburg haben sich beispielsweise von ihren Konfuzius-Instituten getrennt.
cpy