Bunte Legosteine vor weißem Hintergrund.
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Psychologie
Wir lösen Probleme mit Scheuklappen

Probleme können durch das Hinzufügen oder Wegnehmen von Faktoren gelöst werden. Eine neue Studie zeigt, welcher Lösungsweg bevorzugt wird.

15.04.2021

Angenommen, eine wackelige Brücke aus Bausteinen soll stabiler gemacht werden. Der eine Pfeiler ist höher als der andere. In diesem Fall ergänzten Testpersonen eher am kürzeren Pfeiler einen weiteren Stein, als dass sie den längeren durch Wegnahme eines Steins an den anderen Pfeiler anglichen. Forscherinnen und Forscher der Universität von Virginia leiten in einer aktuellen Studie aus diesem und ähnlichen Versuchen ab, dass Menschen zur Verbesserung eines Objekts, einer Idee oder einer Situation eher dazu neigen, Komponenten hinzuzufügen (additive Lösung) als wegzunehmen (subtraktive Lösung).

In acht Experimenten konnten die Forscherinnen und Forscher zeigen, dass nordamerikanische Testpersonen subtraktive Lösungen eines gestellten Problems weniger oft anwendeten als additive Lösungen, es sei denn sie waren auf eine solche Lösung hingewiesen worden. Unter Stress, wenn eine parallel stattfindende Aufgabe die Testpersonen irritierte, verstärke sich die Tendenz zur additiven Lösung. Unter Stress wurde die erstbeste Lösung gewählt, was zeige, dass die additive Lösung eine mentale Abkürzung darstelle. So ergänzten die Probanden in einem Experiment, bei dem sie durch ein Zahlensuchspiel abgelenkt waren, grafische Muster eher durch das Einfärben von Feldern symmetrisch, als dass sie bereits eingefärbte Felder entfärbten.

Ob es kulturelle Faktoren bei der Wahl der Lösungswege gibt, muss laut Forschungsteam noch genauer erforscht werden. Erste Tests mit Versuchspersonen aus Japan und Deutschland weisen laut den Forscherinnen und Forschern darauf hin, dass die Beobachtungen über den nordamerikanischen Kontext hinaus verallgemeinert werden können.

Problemlösung beginnt in der Vorstellung: Menschen bedenken üblicherweise nur eine begrenzte Zahl möglicher Lösungswege, um der kognitiven Überlastung zu entgehen, die das Durchgehen aller möglichen Lösungen bedeuten würde. Dies kann dazu führen, dass sie die erstbeste  Lösung verfolgen, ohne Alternativen zu bedenken. Mit dieser Tendenz zu additiven Lösungswegen begründen die Forscherinnen und Forscher, dass Menschen beispielsweise Schwierigkeiten haben, ihre übervollen Terminkalender abzuspecken oder umweltschonender zu leben: Diese Probleme würden nicht überwunden, solange der präferierte Lösungsansatz ein "noch mehr" sei.

cpy