Person bei Computertomografie-Untersuchung im Krankenhaus
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Ingenieurwissenschaften
Woran Medizintechniker derzeit forschen

Der Medizintechnik wird ein erheblicher Anteil am Anstieg der Lebenserwartung zugeschrieben. Ein Forscher gibt Einblicke in seine Arbeit.

Von Marc Kraft 12.03.2019

Die Medizintechnik ist zwischen Medizin und Technik immer interdisziplinär und nimmt damit eine besondere Rolle unter den Ingenieurwissenschaften ein. Ihre Intention ist es, eine medizinische Nachfrage mit technischen Lösungen zu decken. Das Ziel der Technikanwendung in der Medizin ist die Hilfe für kranke oder beeinträchtigte Menschen, die den gesamten medizinischen Betreuungsprozess von der Vorbeugung, über die Diagnose und Therapie bis zur Rehabilitation einschließt.

Eine weitere Besonderheit der Medizintechnik ist, dass es keine technisch, sondern eine anwendungsbezogen definierte Abgrenzung des Fachgebietes gibt. So kann jedwede Technik, die einen Nutzen in der Medizin hat, Medizintechnik werden.

Das Fachgebiet der Medizintechnik ist deshalb heute ungeheuer breit, es reicht von einfachen Medizinprodukten wie chirurgischen Scheren und Skalpellen über komplexe Instrumente für minimal invasive Operationen, Gelenkimplantate, Herzschrittmacher, Herzklappenprothesen, Blutdruckmessgeräte, Dialysemaschinen, Operationstische, Beatmungs- und Narkosegeräte, Orthesen, Rollstühle, Gliedmaßenprothesen, Laborgeräte zur Blutuntersuchung bis zu diagnostisch eingesetzten Großgeräten wie Computer- und Magnetresonanztomographen.

So vielfältig wie die technischen Systeme sind auch die Ausbildungen der in der Medizintechnikbranche tätigen Menschen, die in der Regel in gemischten Teams arbeiten. Neben Absolventen von Medizintechnikstudiengängen werden Ingenieure der Elektrotechnik, des Maschinenbaus, der Automatisierungs-, Regelungs- und Verfahrenstechnik, aber auch Informatiker und Naturwissenschaftler, wie Physiker, Biologen, Chemiker beschäftigt. Sie setzen sich gemeinsam und interdisziplinär mit Problemen an der Grenze ihrer jeweiligen Fachgebiete auseinander.

Der Medizintechnik wird ein erheblicher Anteil am Anstieg der Lebenserwartung zugeschrieben, die sich (in Bezug auf Neugeborene) in den vergangenen 130 Jahren mehr als verdoppelte. Waren vor hundert Jahren noch fehlende Hygiene sowie schlechte Ernährung und Wohnverhältnisse Gründe einer hohen Sterblichkeit in jungen Jahren, ist der Anstieg der Lebenserwartung der letzten Jahrzehnte auf eine verringerte Sterblichkeit im hohen Alter trotz der oft vorhandenen Multimorbidität durch eine verbesserte medizinische Behandlung zurückzuführen. Dies ist auch ein Ergebnis der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten.

Rasante Entwicklung in einzelnen Innovationsfeldern

Die Medizintechnik wird sich in einigen Innovationsfeldern bis zum Jahr 2025 besonders schnell entwickeln. In der medizinischen Diagnostik gehören die Bildgebenden Verfahren zu den Techniken, die sich aus den Anfängen der Röntgendiagnostik vor über hundert Jahren besonders dynamisch entwickelten. Im Fokus der Forschung stehen hier nach der Entwicklung der Computertomografie, der Magnetresonanz­tomografie, nuklearmedizinischer und optischer Verfahren heute unter anderem neue bildgebende Modalitäten (zum Beispiel Magnetic Particle Imaging), die automatisierte Bildverarbeitung und Bildanalyse sowie die Kontrastmittelentwicklung.

Weiterhin werden auch die molekulare, funktionelle, quantitative, multimodale/hybride und interventionelle Bildgebung einschließlich der Nutzung von Biomarkern permanent verbessert und optimiert.

Auch die Therapiesysteme stellen ein wichtiges Innovationsfeld der Medizintechnik dar. Hier werden in den nächsten Jahren vorrangig neue Drug-Delivery-Systeme (Medizinprodukte zur Applikation von Medikamenten), Systeme für die Elektrotherapie bzw. die Therapie mit Gasen und Aerosolen entwickelt. Die Techniken der Blutreinigung (Dialyse und Apherese), der Strahlen- und Radionuklidtherapie sind sehr schnell wachsende Forschungs- und Anwendungsgebiete.

Um den Patienten während therapeutischer Eingriffe weniger zu belasten, werden interventionelle und minimal invasive Techniken genutzt. In engem Zusammenhang mit ihnen stehen "Smart Instruments", die Robotik, Navigation und das Tracking in der Medizin. Sie machen bildgeführte und teilautomatisierte Interventionen möglich und basieren auf der Fusion und Visualisierung von prä- und intraoperativen Bilddaten zur Operationsunterstützung.

Basis sind die digitale  Datenverarbeitung sowie die Modellbildung und Simulation in der Medizin mit Anwendungen in der computergestützten Therapieplanung mit intraoperativer Kontrolle, in der Workflow-Optimierung und Entscheidungsunterstützung sowie bei der Gütebewertung im Qualitätsmanagement. Neue Perspektiven ergeben sich auch für das eLearning, Training und die Anwendung der Virtual Reality im medizinischen Umfeld.

Medizinische Informationssysteme verändern Klinikalltag

In Diagnostik, Therapie und Rehabilitation verbreiten sich medizinische Informationssysteme zunehmend. Sie entwickeln sich so rasant wie die Informationstechnologien insgesamt. Die Erfassung, Verarbeitung, Speicherung (Data Mining und Data-Warehouse-Konzepte), Übertragung, Vernetzung und Fusion großer Datenmengen sind unter anderem die Grundlage des Telemonitoring und der Telemedizin. Als Schlagworte für neue digitale Systeme seien Smart Hospital, Smart Home (mit medizinischen Assistenzsystemen), "eHealth" und dessen mobile Variante "mHealth" genannt.

Ein weiteres Innovationsfeld stellen die In-vitro-Technologien (In-vitro-Biosensorik und Bioanalytik) dar. Sie dienen vorrangig der Diagnostik von Proben außerhalb des menschlichen Körpers und werden zum Beispiel in klinischen Laboren angewendet. Forschungsthemen in diesem Gebiet sind DNA- und Protein-Chips, Lab-on-Chip-Technologien und die Point-of-Care-Diagnose. Aber auch Zell- und Gewebetechniken, die Zelldiagnostik und Zellkonditionierung, das Cell-, Tissue- und Bioengineering (unter anderem zur Schaffung von Gewebe- und Organersatz aus lebendem Gewebe) sowie die Laborautomatisierung entwickeln sich sehr dynamisch.

Direkt im oder am menschlichen Körper dienen Prothesen und Implantate zum Ersatz bzw. zur Unterstützung verloren gegangener Körperfunktionen. Für die Anwendung im Körper werden neuartige aktive, diagnostische und theragnostische, biologische, biologisierte und biofunktionalisierte Implantate entwickelt. In der Rehabilitationstechnik kommen u.a. intuitiv nutzbare Prothesen für Amputierte zum Einsatz, die mit integrierten Mikroprozessoren über geschlossene Regelkreise verfügen und immer besser die Funktion verloren gegangener Extremitäten ersetzen können.

Kranken oder behinderten Menschen Hilfe zu leisten, motiviert alle in der Medizintechnik Tätigen, an der interdisziplinären Schnittstelle zwischen Mensch und Technik für eine stetige und innovative Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten zu sorgen.